Schwarze Piste
Bewohner haben gewechselt. Wir wissen nicht über alle etwas.«
Das bezweifelte Wallner. »Wir sollten diese Leute auf jeden Fall kontaktieren. Vielleicht können sie uns irgendwie weiterhelfen. Und man müsste sie natürlich auch warnen.«
»Sie kriegen die Adressen. Besonders interessant dürfte Annette Schildbichler für Sie sein. Die war zusammen mit Kramm und Immerknecht von Anfang bis Ende in der WG . Sie hat Sozialpädagogik studiert und zusammen mit Sophie Kramm ihren Abschluss gemacht. Nach dem Studium haben sich ihre Wege getrennt.«
»Sie haben die Leute später auch noch beobachtet?«
»Das wäre zu viel gesagt. Wir haben sie im Auge behalten. Die Lage hat sich ja entschärft, nachdem die RAF einen Gewaltverzicht erklärt hatte. Das war – warten Sie: zweiundneunzig.«
»Wer war denn für die Beobachtung der WG damals zuständig?«
»Das kann ich gerne recherchieren«, sagte Hauser und klappte die Akte zu.
»Hören Sie, ich hab keine Lust auf diese Geheimdienstspielchen. Ich muss zwei Morde aufklären und möglicherweise weitere verhindern. Sie wissen, wer damals zuständig war. Und Sie wissen auch, wer damals als V-Mann gearbeitet hat.«
»Ihre Anfrage war sehr kurzfristig. Wir müssen das prüfen. Und wir müssen unsere Leute schützen. Wir können sie nicht enttarnen, wenn sie nicht wirklich etwas zu Ihrem Fall beizutragen haben. Bis jetzt gibt es, wenn ich das richtig verstehe, nur vage Vermutungen, dass die Sache einen politischen Hintergrund hat.«
»Gab es in der WG einen V-Mann?«
»Ich würde Sie bitten, uns etwas Zeit zu geben. Und vielleicht ein paar Anhaltspunkte, damit wir nicht jemanden völlig umsonst auffliegen lassen.«
»Na gut. Andere Frage: Sagt Ihnen der Name Stalin etwas?« Wallner versuchte, im Gesicht von Hauser eine Reaktion abzulesen. Aber der Mann übte das Lügen seit vierzig Jahren als Beruf aus. Er hatte seine Gesichtszüge im Griff. Ohne etwas preiszugeben, sagte Hauser: »Sollte es?«
»Das war die mysteriöse gemeinsame Bekannte der Mordopfer. Offenbar kannten sie sich aus ihrer Studentenzeit. Und Stalin hat sie kurz vor ihrem Tod besucht, was bei beiden zu einer gewissen Besorgnis geführt hat.«
»Ich lass recherchieren, ob der Name in dem Zusammenhang aufgetaucht ist. Nur Stalin? Ein Spitzname, nehme ich an?«
»Herr Hauser«, sagte Wallner genervt. »Fragen Sie einfach Ihren Vorgesetzten, ob Sie uns sagen dürfen, wer das ist, okay?«
»Ich kümmer mich drum«, sagte Hauser und setzte ein unverbindliches Lächeln auf.
[home]
40
W allner beendete sein Telefonat mit der Bestätigung, dass man sich in einer halben Stunde auf dem Weihnachtsmarkt an der Münchner Freiheit treffen werde. Die Frau am anderen Ende der Leitung nannte sich Tiffany. Ihre Nummer hatten sie vom Bruder der Wasserburger Tattoo-Frau. Tiffany war eine Freundin von Franziska Michalski gewesen, dem verschwundenen Mädchen mit der Handtasche. Vermutlich jener Frau also, deren Überreste auf dem Foto zu sehen waren, das die Mordopfer bei sich hatten.
Zwei Autos hinter ihnen beschloss Frank, nachdem Wallner das Ziel genannt hatte, seinen Wagen stehen zu lassen und mit der U-Bahn zu fahren. In Schwabing würde er ohnehin keinen Parkplatz finden, und es war unnötig, den Polizisten hinterherzufahren und Gefahr zu laufen, dabei entdeckt zu werden. Wenn die Frau oder die Kommissare ihre Pläne in der nächsten halben Stunde änderten, hätte er Pech gehabt. Aber das war unwahrscheinlich.
»Der Bursche verheimlicht uns was«, sagte Mike und meinte damit Bernd Hauser vom Verfassungsschutz.
»Das ist ziemlich eindeutig. Fragt sich, was.«
»Irgendwer war da noch in der WG , da bin ich mir ziemlich sicher.«
»Da bin ich mir auch sicher. Und ich glaube auch, ich weiß, warum Hauser uns nicht verraten will, wer.«
Mike nickte. Offenbar hatte er den gleichen Gedanken. »Der V-Mann?«
»Macht doch Sinn, oder?« Wallner fingerte noch einmal sein Handy aus der Daunenjacke und tippte die Nummer von Janette ein. Er gab ihr die Daten von Annette Schildbichler durch mit der Bitte, sie zu kontaktieren und sobald wie möglich aufs Revier zu bitten. Die Frau lebte mittlerweile in Herrsching am Ammersee und arbeitete an einer Sonderschule.
Tiffany war vierundzwanzig Jahre alt, kam aus Rötz im Bayerischen Wald und war dort unter dem Namen Annika Plungauer bekannt. Sie arbeitete in einer Tabledance-Bar am Ostbahnhof, war hübsch anzusehen, lange blonde Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden,
Weitere Kostenlose Bücher