Schwarze Piste
vorher noch nachher gekommen.«
»Wie lange hat der Mann dafür gebraucht?«, wollte Mike wissen.
»Bad Kleinen war 1993 . Steinmetz hatte seit Mitte der achtziger Jahre als V-Mann gearbeitet. Acht Jahre etwa.«
»Waren Sie auch mal V-Mann?«
»Nein. In Bayern haben wir nicht mit Beamten gearbeitet. Es ist schwierig, aus einem Polizeibeamten einen linken Studenten zu machen.«
»Das heißt, Sie haben mit Amateuren gearbeitet.«
»Ja, haben wir. Da waren aber verdammt gute dabei.
Frauen und Jurastudenten waren die besten.«
»Die haben aus lauter Vaterlandsliebe als Informanten gearbeitet?« Wallner begann das Thema zu faszinieren.
»Ich kann Sie beruhigen. Aus Überzeugung hat das, glaube ich, keiner gemacht.«
»Warum dann?«
»Geld. Ganz simpel.«
»Wie viel verdient man da?« Mike hatte sich interessiert nach vorn gelehnt.
Hauser lächelte ihn an. »Was wollen Sie jetzt konkret von mir wissen?«
»Hat der Verfassungsschutz Sophie Kramm oder Jörg Immerknecht oder beide unter Beobachtung gehabt? Wenn ja, was können Sie uns an Informationen überlassen?«
Hauser nickte und schien nachzudenken, was er Wallner geben konnte.
»Ich lasse Ihnen noch heute alle Daten mailen, die wir über die beiden haben«, sagte Wallner.
»Danke, aber das wird nicht nötig sein.« Wallner sah Hauser überrascht an. »Sophie Kramm und Jörg Immerknecht haben von 1984 bis 1989 zusammen in einer WG gewohnt. Wir hatten die WG unter Beobachtung. Sie zählte zum Sympathisantenkreis der RAF .«
Wallner und Mike waren über die plötzliche Offenbarung so erstaunt, dass ihnen die Worte fehlten. Hauser nahm noch einmal seine Zeichnung zur Hand und deutete auf den äußeren Kreis. »Dieser äußere Kreis war das Sympathisantenumfeld der RAF . Das hatten wir relativ gut im Griff. Oft haben sich diese Leute in sogenannten linken WGs zusammengetan.«
»Das heißt, sie haben Waffen beschafft oder Ausweise? Oder Autos geklaut?«
»Nein, nein. Um Gottes willen. Das haben die in der Kommandoebene schon selber erledigt. Die haben vielleicht mal organisiert, dass Leute aus der linken Szene ihre Personalausweise als gestohlen gemeldet haben. Und die sind dann umgearbeitet worden. Oder man hat Demos organisiert und generell das politische Umfeld bearbeitet.«
»Das heißt, die hatte gar keinen Kontakt zur RAF ?«
»Direkt nicht. Es gab Kontaktleute. Musste es ja geben. Für die Kommunikation zwischen der Kommandoebene und dem Sympathisantenumfeld. Das waren die.« Hauser deutete auf den mittleren Kreis.
»Kam man über die nicht an die Kommandoebene?«
»Wir wussten nicht mal genau, wer die Kontaktleute waren. Wir kannten die natürlich. Die verkehrten ja auch in der linken Szene. Aber die hatten kein Schild um den Hals. Wir hatten einige in Verdacht. Es gab da Leute, die mal zwischendurch verschwanden oder plötzlich nicht auf einer Sitzung erschienen. Da wurde auch nicht nachgefragt. Die hatten so eine Aura um sich, weil man nicht wusste, was machen die. Aber gleichzeitig wusste man, die machen was unglaublich Wichtiges. Die haben Kontakt mit
denen.
Wow, das war für den kleinen linken Studenten schon aufregend. Übrigens auch für unsere V-Leute.«
»Warum haben Sie diese Leute nicht beschattet?«
»Haben wir. Es gab auch Situationen, wo sie sich mit Leuten aus der Kommandoebene getroffen haben. Vermuten wir zumindest.«
»Und warum ging’s da nicht weiter?«
»Beobachtet heißt: aus ein paar hundert Metern Entfernung, an einem Ort, mit dessen Topographie man nicht vertraut war. Da war dann irgendein Typ mit Kapuze und Sonnenbrille. Und der war ganz schnell verschwunden. Da hätten Sie hundert Mann gebraucht, um den zu observieren. Im Kino sieht das immer so aus, als würden die Geheimdienste alles in Echtzeit und Großaufnahmen über Satellit verfolgen. Das ist natürlich Quatsch. Warum glauben Sie, hat die CIA zehn Jahre gebraucht, um Osama bin Laden zu finden? Und das mit den modernen technischen Mitteln. In den Achtzigern haben wir ja noch in der Steinzeit gelebt.«
»Gut. Zurück zu unseren Leuten. Die haben also in einer linken WG gewohnt, waren aber nicht direkt bei der RAF ?«
»Nein. Sympathisanten.«
»Wer hat noch in der WG gewohnt?«
Hauser nahm einen Aktenordner zur Hand. Offenbar hatte es einiges zu berichten gegeben über die WG , denn der Ordner war prall gefüllt. Er blätterte ein wenig in den Berichten und Aktenvermerken herum, obwohl sich Wallner sicher war, dass er die Namen auswendig wusste. »Die
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