Schwarze Piste
dir im Augenblick net sagen. Aber es könnt entscheidend sein.«
Wallner war mit Janette in seinem Büro und begrüßte Daniela. Kreuthner – obwohl nicht im Dienst – durfte ebenfalls bleiben. Daniela wurde sozusagen als seine Zeugin angesehen.
»Können wir Ihnen etwas anbieten? Kaffee? Plätzchen?«
»Nein danke. Wenn Sie Tee hätten. Aber keinen schwarzen. Früchtetee.«
»Ich schau mal«, bot Janette an.
»Wenn nicht, ist es auch nicht schlimm.«
Janette schickte einen Beamtenanwärter, der gehofft hatte, durch die Überstunden vertiefte Einblicke in die Mordermittlungen zu bekommen, zum Teekochen. Daniela nahm den angebotenen Platz an Wallners Besprechungstisch ein und ordnete reflexartig die dort liegenden Papiere zu einem kleinen akkuraten Stapel.
»Ich nehme an, Sie sind in etwa auf dem Laufenden, was die Entwicklung der letzten Tage anbelangt«, sagte Wallner mit Seitenblick auf Kreuthner. »Es wurden zwei weitere Personen tot aufgefunden, beide mit geöffneten Pulsadern. Beide haben während des Studiums mit Ihrer Schwester in einer WG gewohnt.« Wallner nahm den von Daniela geordneten Papierstapel, zog zwei Blätter mit Fotos von Jörg Immerknecht und Annette Schildbichler heraus, schob sie zu Daniela hinüber und ordnete den Stapel wieder so, wie Daniela ihn hinterlassen hatte. »Kennen Sie die beiden?«
»Ich glaube, ich habe sie schon mal gesehen. Aber das ist lange her. Ich war so um die fünfzehn, als Sophie studiert hat. Natürlich hab ich Sophie ab und zu besucht und dabei auch ihre Mitbewohner getroffen. Aber wie gesagt – das ist fast zwanzig Jahre her. Da haben die noch ganz anders ausgesehen.« Sie betrachtete das Foto von Jörg Immerknecht. »Ich glaube, der hat Jura studiert. Jörg.«
»Jörg Immerknecht.«
»Jörg war ganz in Ordnung. Sie hier mochte ich nicht. Die hatte so was fanatisch Alternatives und wollte politische Diskussionen mit mir anfangen.«
»Annette Schildbichler.«
»Annette! Ja, ich erinnere mich.«
»Hatte Ihre Schwester nach dem Studium keinen Kontakt mehr zu diesen Leuten?«
»In den ersten Jahren kann ich das nicht sagen. Da haben wir uns nicht so viel gesehen. Ab 1996 habe ich Sophie öfter auf dem Hof besucht, aber da war nie jemand von ihrer früheren WG .«
»Wann sind Sie auf den Hof gezogen?«
»Das war im Jahr 1998 . Seitdem habe ich keinen von ihren Studienkollegen auf dem Hof gesehen. Bis auf diese Frau, die uns vor kurzem besucht hat. Aber ich weiß nicht genau, wo die einzuordnen ist.«
»Zu der kommen wir gleich. Hatte Ihre Schwester anderweitig Kontakt mit diesen Leuten?« Wallner deutete auf die Fotos. »Briefe, Anrufe, E-Mails?«
»Ist mir jedenfalls nichts in Erinnerung. Ich weiß aber, dass sie einmal im Jahr ein Treffen mit alten Freunden hatte. Sie ist dann nach München gefahren und über Nacht geblieben.«
»Hat sie nie von diesen Treffen erzählt?«
»Doch. Aber das war ziemlich uninteressant. Ich weiß, dass der Jurist zu einer Bank gegangen ist. Da hat sich Sophie am Anfang etwas drüber aufgeregt, weil der im Studium stramm links war. Wie Sophie auch. Aber das ist bei Sozialpädagogen ja immer so. Und diese Frau … Annette?«
»Ja, Annette.«
»Von der gab’s gar nichts zu berichten. Die ist, glaub ich, Sonderschullehrerin geworden. Was soll man da groß erzählen?«
»Gut«, sagte Wallner. »Dann kommen wir zu dieser Frau.« Er suchte aus dem ordentlichen Papierstapel ein weiteres Blatt mit einem Foto heraus. Es zeigte Josepha Leberecht, die V-Frau, deren Unterlagen der Verfassungsschutz geschickt hatte.
»Das ist sie!« Daniela hatte keinen Moment gezögert. »Die Frau, die auf dem Hof war. Wer ist das?«
»Das ist die vierte Mitbewohnerin der WG damals. Wir konnten leider noch nicht mit ihr reden. Sie sagten damals, diese Frau habe Ihrer Schwester gedroht. Sagen Sie uns bitte so genau wie möglich, woran Sie sich in dem Zusammenhang erinnern.«
Daniela starrte auf das Foto und dachte angestrengt nach. »Sie hat irgendwas in der Art gesagt wie: ›Wenn du nicht tust, was ich will, kriegst du Ärger.‹ Und das war jetzt nicht so wie: ›Dann verklag ich dich.‹ Das war schon massiv. Meine Schwester hat unglaubliche Angst gehabt, auch wenn sie es nicht zugeben wollte. Aber ich kenne sie so gut wie keinen anderen Menschen auf der Welt. Es kann tatsächlich sein, dass sie Angst um ihr Leben hatte.«
»Sie haben keine Vorstellung, warum die Frau ihr gedroht haben könnte? Oder was sie haben wollte?«
»Ich
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