Schwarze Rose der Nacht - Amber, P: Schwarze Rose der Nacht
außer Dienst, aber immer noch eine unbedingte Respektsperson in Scotland Yard.
Die Zelle für Untersuchungsgefangene befand sich im Nebenraum, eine grau angestrichene Stahltür, in der sich in Augenhöhe ein kleiner, viereckiger Einsatz befand. Forch löste die Verriegelung und klappte den Einsatz nach unten, dahinter befand sich ein Gitter aus schmalen Stahlbändern, das nur wenig Einblick in die dämmrige Zelle bot. Violet musste sich auf die Zehenspitzen stellen, um hineinsehen zu können.
„Nicholas!“
Er war ruhelos in dem winzigen Raum auf und abgegangen, jetzt wandte er sich zur Tür um, und sie sah Erschrecken in seinen blassen Zügen, als er sie erkannte. Langsam, als müsse er sich überwinden, trat er auf sie zu, näherte sein Gesicht dem Gitter.
„Violet!“
Seine Stimme klang ungewöhnlich schwach und sehr tief, doch er war ihr jetzt so nahe, dass sie seinen Atem spüren konnte.
„Nicholas, ich bin so froh, dich zu sehen“, sagte sie, während ihr die Tränen in die Augen traten. „Du darfst den Mut nicht verlieren, wir werden alles Erdenkliche unternehmen, um deine Unschuld zu beweisen.“
Die Gitter verdeckten einen Teil seines Gesichts, doch sie sah seine Augen, die dunkel waren und zu glühen schienen.
„Es ist zu Ende, Violet“, sagte er leise. „Ich habe mich wie ein Idiot in die Falle locken lassen. Ich habe es verdient, am Galgen zu hängen.“
„Nein“, rief sie erschrocken. „Du darfst dich nicht aufgeben. Ich will, dass du lebst, Nicholas. Ich liebe dich.“
Sie presste ihr Gesicht an das Gitter und spürte ein kleines Stück seines warmen Mundes auf ihren Lippen, dazwischen war das kalte Gitter, das ihnen den Kuss verwehrte.
„Du hast keinen Grund, mich zu lieben, Violet“, sagte er. „Du wirst deines Lebens erst wieder sicher sein, wenn ich als Mörder verurteilt und hingerichtet bin.“
„Was redest du da, Nicholas? Ich will nicht leben ohne dich.“
Er stemmte sich mit beiden Händen von der Tür ab und schien ungeheure Kräfte dazu zu benötigen, denn er atmete schwer und rasch.
„Hör mir zu, Violet“, sagte er dumpf. „Der Mann, den du zu lieben glaubst, ist ein kalter, menschenverachtender Egoist, der vorsätzlich mit deinem Leben gespielt hat.“
„Ich weiß nicht, weshalb du solche Dinge sagst, aber ich werde sie niemals glauben.“
Seine Züge erstarrten jetzt und seine Augen nahmen eine graue Farbe an. Es war, als zöge er eine Maske vor sein Gesicht.
„Dann benutze deinen Verstand, Violet Burke“, sagte er mit harter Stimme. „Weshalb, glaubst du, habe ich dich als Hausdame in die Warwick Street engagiert? Warum habe ich dich überall herumgezeigt? Dich in der Nacht durch die Straßen geschickt, um dich heimlich im Nebel zu verfolgen? Hast du dich nie gefragt, wieso ich solch verrückte Dinge mit dir getan habe?“
Sie schwieg. Natürlich hatte sie sich das gefragt. Aber sie hatte die Fragen fortgeschoben, weil sie sich in ihn verliebt hatte.
„Ich habe dich als Lockvogel engagiert, Violet. Ich habe mir eingebildet, diesen geheimnisvollen Mann, der mich zum Mörder stempeln wollte, mit deiner Hilfe anlocken und zur Strecke bringen zu können. Ich habe vorsätzlich mit deinem Leben gespielt und erst viel zu spät gemerkt, dass mein Plan nicht die mindeste Chance hatte. Hätte er dich tatsächlich überfallen – ich bin sicher, dass ich dich nicht einmal hätte schützen können.“
Sie war vollkommen niedergeschmettert. Ja, es hatte doch auf der Hand gelegen. Sie hätte es längst erkennen müssen. Aber sie hatte es nicht wahrhaben wollen.
„Aber … du hast doch gesagt, dass du mich liebst“, stammelte sie. „Du hast versucht, mich zu schützen. Du wolltest sogar mit mir ins Ausland fliehen.“
„Dummheiten“, sagte er mit kühlem Spott. „Gehen Sie jetzt, Miss Burke! Sie haben keinen Grund, um mich zu trauern.“
Damit drehte er ihr den Rücken zu und ging die wenigen Schritte bis zur gegenüberliegenden Wand. Dort blieb er unbeweglich stehen.
Forch schob mit einer zornigen Bewegung die Klappe vor das Gitter und das harte, metallische Geräusch ging ihr durch Mark und Bein.
„Glauben Sie ihm nicht“, sagte er.
Dann erst bemerkte er, dass sie schluchzte, und nahm sie tröstend in seine Arme.
Sie hätte nicht sagen können, wie sie wieder ins Erdgeschoss gelangten, denn ihre Augen waren vom Weinen verquollen. Sicher war nur, dass sie nicht die Treppe benutzten, die sie hinaufgestiegen waren.
„Verfluchte Pressegeier“,
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