Schwarze Rose der Nacht - Amber, P: Schwarze Rose der Nacht
jetzt gehen. Ich werde einen Rundgang durch das Haus unternehmen, um mir alles anzusehen.“
„Wie Sie wollen“, gab die Köchin unfreundlich zurück. „Aber lassen Sie die Räume der seligen Mrs. Marlow in Ruhe – Mr. Marlow mag es nicht, wenn jemand darin herumschnüffelt.“
Damit machte sie kehrt, stampfte schweren Schrittes aus dem Zimmer und klappte die Tür hinter sich zu.
Violet blieb mit dem Gefühl zurück, dass die Aufgabe, die sie hier übernommen hatte, keine leichte sein würde. Warum verhielt sich die Frau so feindselig? Hatte sie Sorge, dass die neue Hausdame sich in ihre Befugnisse mischen wollte?
Violet beschloss, ihren Rundgang zu machen und sich dabei nicht um das Geschwätz der Köchin zu kümmern. Mr. Marlow hatte ihr gegenüber nichts von verbotenen Räumen gesagt – also brauchte sie sich auch nicht daran zu halten.
Sie trat in den Flur hinaus und stellte fest, dass es hier im ersten Stock außer dem großen Wohnraum noch ein Speisezimmer, eine Bibliothek und ein geräumiges Schlafzimmer gab, das Mr. Marlow gehörte. Sie warf nur einen kurzen Blick in den Raum, denn dort lagen verschiedene männliche Kleidungsstücke verstreut, die Maggy offensichtlich noch nicht aufgeräumt hatte. Als sie die Tür rasch wieder schließen wollte, fiel ihr Blick auf ein großes Gemälde, das über dem Kamin aufgehängt war. Es stellte eine junge Frau dar, die, nur mit einem durchsichtigen Hemd bekleidet, in sehr ungewöhnlicher Stellung auf einem Bett lag. Ihr Oberkörper hing über das Ende des Bettes hinaus, das lange, dunkle Haar berührte den Fußboden und ihre bloßen Brüste waren deutlich zu sehen. Auch der übrige, schön geformte Körper der Frau trat unter dem dünnen Stoff plastisch hervor, sie hatte ein Bein angewinkelt, das andere abgespreizt, sodass sie dem Betrachter die kaum verhüllte, dunkel durch den Stoff schimmernde Schamgegend bot. Das war an sich schon erschreckend genug, schlimmer noch jedoch war die unheimliche, zusammengekauerte Gestalt, die gnomengleich mit boshaftem Grinsen auf ihrer Brust hockte, wie ein Dämon, der von der Schönen lustvoll Besitz ergriffen hatte.
Violet erschauderte und bereute ihre Neugier. Es war indiskret, in das Schlafzimmer eines Mannes hinein zu schauen – es geschah ihr ganz Recht, dass sie dort Dinge erblickte, die nicht für die Augen eines jungen Mädchens bestimmt waren. Eilig stieg sie die Treppe zum zweiten Stock hinauf und betrat den schmalen, dämmrigen Flur, der an seinem Ende ein kleines Fensterchen zum Hof hinaus aufwies. Die Scheiben waren fast blind – seit Jahren schien sich niemand mehr die Mühe gemacht haben, sie zu putzen.
Ein verstaubter Läufer bedeckte den Fußboden, vier Türen waren zu sehen, altmodische Arbeiten mit rechteckigen Einsätzen, alle waren solide und schwerfällig. Violet überlegte, dass ihr Zimmer vermutlich eines der hinteren Räume sein musste, denn es ging auf den Hof hinaus. Von Maggy, die eigentlich jetzt dort beschäftigt sein sollte, um das Bett frisch zu beziehen, war nichts zu hören. Kopfschüttelnd drückte Violet die Türklinke eines der nach vorn gelegenen beiden Zimmer herab und hatte einen Moment lang zu kämpfen, denn die schwere, alte Tür ließ sich nur widerwillig öffnen.
Der Raum war nahezu dunkel, da man die Vorhänge vor die Fenster gezogen hatte, ein muffiger Geruch nach Staub und alten Möbeln schlug ihr entgegen. Erst nach einer Weile gewöhnten sich Violets Augen an das Dämmerlicht und sie erkannte einige weiß verhüllte Möbelstücke, wie unförmige Gespensterwesen, dazu einen hohen, weißen Kamin über dem die Spinnweben hingen. Eine Ecke des schönen Marmorsimses war abgeschlagen, die Bruchstelle sah frisch aus – niemand schien sich die Mühe gemacht zu haben, den Schaden zu beheben.
Sie schüttelte die Beklommenheit über den traurigen Anblick ab und entschloss sich, den gegenüberliegenden Raum anzusehen. Es schien ein Schlafzimmer zu sein, denn die Mitte des Raumes wurde von einem breiten Bett ausgefüllt, das ebenso wie die übrigen Möbelstücke mit weißen Tüchern abgedeckt war. Violet spürte ein eigenartiges Frösteln, während sie den Blick umherschweifen ließ. Es lag eine lauernde Stille auf diesem Zimmer und die weißen Tücher erinnerten sie unwillkürlich an die sanfte Schneedecke, die sich an kalten Wintertagen über die toten Körper erfrorener Tiere legte.
Sie beeilte sich, die Tür zu schließen und wandte sich einem dritten Raum zu, der zur Hofseite
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