Schwarze Rose der Nacht - Amber, P: Schwarze Rose der Nacht
stieg langsam die Treppe nach unten. Die Stufen knarrten unter ihren Füßen, sodass sie sich hin und wieder umsah, ob ihr vielleicht jemand folgte. Mit unguten Gefühlen dachte sie an den unverschämten Hausdiener, dann vernahm sie plötzlich leise Geräusche und blieb erschrocken stehen.
Ein Wimmern war zu hören, ähnlich dem Geräusch, das der Wind verursacht, wenn er um eine Hausecke fegt. Holz knackte leise, dann glaubte sie ein Knarren vernehmen, als ob jemand eine hölzerne Tür öffnete.
Vermutlich gibt es Mäuse im Haus, versuchte sie sich zu beruhigen. Oder es ist Maggy, die dort oben reinemacht.
Aber am späten Nachmittag wurde normalerweise nicht mehr sauber gemacht, solche Arbeiten verrichtete man am Morgen.
Sie fand Mrs. Waterbrook in der Küche am Tisch sitzend, einen Topf mit Tee und eine Zeitung vor der Nase. Wie Violet bereits befürchtet hatte, war sie von ihrem Wunsch, Küche und Nebenräume anzusehen, wenig begeistert.
„Hier ist alles in Ordnung“, knurrte sie. „Wenn Sie das Haushaltsbuch suchen, das ist in der Tischlade. Die Vorräte sind in der Kammer und hier im Vorratsschrank. Soll ich ihn aufschließen, damit Sie sich alles genau anschauen können?“
„Aber nein. Ich wollte nur die Räumlichkeiten sehen.“
Mrs. Waterbrook zog die Nase hoch und erhob sich betont umständlich, um Violet durch Küche und Nebenkammern zu führen. Es gab nichts weiter Aufregendes zu sehen, außer, dass Violet den Eindruck bekam, dass die stets missgelaunte Köchin ihre Arbeit sehr klug und umsichtig verrichtete.
„Wo ist Maggy?“, erkundigte sich Violet, nachdem sie den Rundgang beendet hatten.
„Mit einem Auftrag außer Haus“, war die ruppige Antwort.
„Ich brauche den Schlüssel zu meinem Zimmer.“
Mrs. Waterbrook ließ sich wieder auf ihrem Stuhl nieder, setzte seelenruhig die Brille auf die Nase und nahm sich wieder die Zeitung vor.
„Wir dürfen die Schlüssel zu den oberen Räumen nur mit Mr. Marlows Erlaubnis herausgeben“, verkündete sie gleichmütig.
„Und wann wird er wieder zurückkommen?“
„Er ist an den Abenden oft im Klub und kommt immer erst spät in der Nacht zurück.“
Violet hatte das Gefühl, gegen eine Wand zu reden. Was auch immer sie wünschte, wie rücksichtsvoll sie sich auch bemühte, ihre Aufgaben wahrzunehmen – alles prallte an Mrs. Waterbrooks unterschwelligem Widerstand ab. Sie nahm einen neuen Anlauf.
„Dann wäre es sehr freundlich, wenn Sie mir eine Kleinigkeit zu essen richten würden.“
„Meinetwegen“, murmelte die Köchin grantig.
Violet nahm die Mahlzeit, die aus Fisch, Toast und Bohnen bestand, im Speiseraum ein, saß einsam an einem langen, dunklen Tisch und fröstelte, denn niemand hatte daran gedacht, Feuer im Kamin zu machen. Sie war enttäuscht, dass Marlow sich überhaupt nicht um sie kümmerte, sondern einfach seinen Gewohnheiten nachging. Nicht, dass sie übergroßen Wert darauf gelegt hätte, mit ihm zu Abend zu essen – sie hatte sich eher ein wenig davor gefürchtet, so ganz allein mit diesem Mann am Tisch zu sitzen. Aber dass er sie so ganz und gar ignorierte, verletzte sie.
Sie fühlte sich sehr allein und hätte viel darum gegeben, wenn Grace jetzt bei ihr gewesen wäre. Ach, man konnte über Grace sagen, was man wollte, aber ihre energische Art und ihre witzigen Bemerkungen hätten diesen düsteren Raum im Nu erhellt und Violet zum Lachen gebracht.
Als sie das Speisezimmer verließ, war es schon dunkel geworden, und sie nahm einen Kerzenleuchter in die Hand, um auf der Treppe Licht zu haben. Langsam stieg sie die Stufen hinauf, lauschte immer wieder auf die Geräusche des alten Hauses und dachte besorgt daran, dass ihr eine Maus über die Schuhe laufen könnte. Sie fand eine Reisetasche und einen Koffer vor ihrer Tür – man hatte ihre Sachen also geholt, aber niemand hatte es für nötig gehalten, ihr Bescheid zu sagen.
Sie schleppte die Gepäckstücke in ihr Zimmer, zog die Vorhänge vor die Fenster und schloss die Tür. Dann begann sie, Wäsche und Kleider einzuräumen, eine Arbeit, die rasch beendet war, denn sie besaß nur wenige Stücke. Sie hatte gehofft, eine kurze Nachricht von Grace zwischen den Kleidungsstücken zu finden, doch es war nichts vorhanden. Gewiss war Grace ärgerlich auf sie.
Eine Weile saß sie untätig herum, dann entschied sie, dass es wenig Sinn hatte, auf Mr. Marlows Rückkehr zu warten. Sie schob die Kommode vor die Tür, um auf diese Weise einen möglichen Eindringling
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