Schwarze Rose der Nacht - Amber, P: Schwarze Rose der Nacht
zu einem Sessel schieben, denn sie glaubte, kein Recht mehr auf seine Vergebung und Freundlichkeit zu haben. Doch er nötigte sie, Platz zu nehmen und setzte sich ihr gegenüber vor den Kamin.
„Sie sehen einen ganz normalen Menschen vor sich, Miss Burke“, erklärte er mit leichtem Grinsen. „Keinen Blaubart, aber auch keinen Heiligen. Ein Mann, der seit einem Jahr allein lebt, hat hin und wieder Bedürfnisse – davon wird Ihnen Ihre Freundin Grace sicher erzählt haben.“
Violet wurde rot und nickte beklommen. Natürlich, es war verzeihlich, wenn ein Witwer ab und zu eine Prostituierte aufsuchte. Es war auf jeden Fall besser, als wenn er ein unschuldiges Mädchen oder gar eine verheiratete Frau verführte. Allerdings hätte er wenigstens eine gewisse Trauerzeit einhalten können – wenn er seine Frau geliebt hatte.
„Es steht mir nicht zu, darüber zu urteilen, Mr. Marlow.“
Er wirkte amüsiert und wagte es nun, vorsichtig ihre Hand zu nehmen. Violet wehrte sich nicht, obgleich die Berührung sie sehr verwirrte.
„Ich bin sehr froh darüber, dass Sie bleiben“, sagte er langsam, beugte sich vor und zog ihre Hand an seine Lippen. „Ich brauche Sie, Miss Burke.“
Sie geriet noch mehr in Verwirrung, denn von seinem dunklen Haar stieg ein seltsam erregender Duft zu ihr auf. Als sein Mund ihren Handrücken berührte, zuckte sie zusammen und schloss für den Bruchteil einer Sekunde die Augen, denn seine Lippen waren so heiß, dass sie meinte, sie würden eine Wunde in ihre Hand brennen.
„Ich werde mein Bestes tun“, hauchte sie und zog an ihrer Hand. Er gab sie rasch wieder frei, auf seinem Gesicht lag ein feines, triumphierendes Lächeln, als habe er soeben den Beweis für eine lang gehegte Vermutung erhalten.
Gleich darauf sprang er auf und läutete nach Maggy.
„Bring das Gepäck wieder ins Gästezimmer“, befahl er dem Mädchen. „Und nimm die Sachen mit, die Mrs. Burke dir geben wird.“
Violet war damit aus der Bibliothek entlassen, sie ging hinter Maggy her in den zweiten Stock hinauf und erging sich in Zerknirschung und Selbstvorwürfen. Wie hatte sie nur so vorschnell urteilen können? Oh Gott – wie lächerlich sie sich gemacht hatte.
Erst als Maggy ihre Zimmertür öffnete und die Tasche vor dem Schrank abstellte, zog blitzartig eine Erinnerung durch Violets Sinne. Dieser Geruch, der aus seinem Haar geströmt war. Es musste eine bestimmte Haarpomade sein und sie war sich sicher, diesen Duft schon einmal irgendwo gerochen zu haben.
Maggy machte begehrliche Augen, als sie die Wäsche aus der Kommode räumte.
„So feine Sachen, Miss Burke. Es ist schade, sie irgendwo hinzupacken, wo sie dann Stockflecken bekommen.“
„Die Sachen gehörten der verstorbenen Mrs. Marlow – ich will sie hier nicht haben.“
Maggy schien etwas einwenden zu wollen, doch sie biss sich auf die Lippen und trug den Stapel Wäsche gehorsam aus dem Zimmer. Violet atmete auf und machte sich daran, ihre eigenen Kleider und Wäschestücke wieder einzuräumen.
Kurze Zeit später kündigte Maggy ihr an, dass Mr. Marlow sie zu sehen wünsche und Violet eilte die Treppe hinunter. Im Flur des ersten Stocks traf sie auf Charles, der offensichtlich gerade aus der Bibliothek gekommen war. Seine Miene war ziemlich kleinlaut.
„Ich bitte um Vergebung für meine Respektlosigkeit, Miss Burke“, sagte er und zerrte dabei an seinem Kragen, als säße er zu eng um den Hals. „Es wird nie wieder vorkommen.“
Die Entschuldigung war erzwungen, doch Violet nahm sie dennoch mit Genugtuung entgegen. Marlow hatte sein Wort gehalten.
„Das hoffe ich“, gab sie hoheitsvoll zurück. „Morgen werden Sie sich um den Flur im zweiten Stock kümmern. Er ist schmutzig und auch das Fenster muss gereinigt werden.“
Er nahm die Anweisung der neuen Hausdame mit einem gehorsamen Nicken zur Kenntnis und ging herunter in die Halle. Violet wandte sich zur Bibliothek, in der sie Marlow vermutete.
In der Tat saß er vor dem Kamin in seinem gewohnten Sessel, hatte die Beine hochgelegt und war mit der Lektüre eines kleinen, in dunkles Leder gebundenen Buches beschäftigt.
„Da sind Sie ja endlich, Miss Burke“, knurrte er ruppig bei ihrem Eintreten und warf das Buch auf den Boden. „Haben Sie noch einen kleinen Rundgang gemacht, bevor Sie zu mir kamen?“
Sie war erschrocken über seine Unfreundlichkeit. Vermutlich trug er ihr ihren Fauxpas noch gewaltig nach und rächte sich nun an ihr.
„Ich … ich habe nur …“
Er zog
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