Schwarze Rose der Nacht - Amber, P: Schwarze Rose der Nacht
Soll ich Sie anmelden?“
„Nicht nötig.“
Sie stellte ihre Tasche ab, atmete tief durch und klopfte kurz aber vernehmlich an die Tür. Es wäre feige gewesen, einfach davonzulaufen, sie würde ihm erklären, dass ihre Anstellung auf einem Missverständnis beruhe, und kündigen.
„Ja?“, erklang es unfreundlich aus der Bibliothek.
Sie trat ein. Marlow saß an seinem Schreibtisch und hatte offensichtlich vor sich hingebrütet, denn der Tisch war bis auf die Schreibgeräte völlig leer.
„Was gibt’s?“, fragte er mürrisch und musterte ihren Hut. „Wollen Sie etwa ausgehen? Ich sehe keinen Grund dafür, sich bei diesem Wetter draußen herumzutreiben.“
„Ich kündige meine Stellung, Mr. Marlow.“
Sie hatte vorgehabt, entschlossener aufzutreten, doch Marlows Gegenwart schüchterte sie ein, und so klang ihre Stimme lange nicht so energisch, wie sie es geplant hatte. Immerhin runzelte er die Stirn und starrte sie irritiert an.
„Was ist das für ein Blödsinn?“, knurrte er.
„Mein Entschluss ist unumstößlich, Mr. Marlow. Ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass Sie mich unter falschen Voraussetzungen engagiert haben. Es ist besser, wenn ich sofort gehe – jeder Tag länger in Ihrem Dienst würde beiden Seiten nur Verdruss bereiten.“
Marlow schnippte ärgerlich mit dem Finger und lehnte sich im Stuhl zurück.
„Jetzt hören Sie mir einmal zu, meine Liebe“, sagte er. „Ich habe heute eine Menge Kleider für Sie in Auftrag gegeben, ich habe für Sie ein Zimmer herrichten lassen und Sie in meine Pläne einbezogen. Und jetzt fällt der Dame auf einmal ein, dass sie unter falschen Voraussetzungen angestellt wurde. Ist Ihnen eigentlich klar, Miss Burke, dass Sie einen Vertrag unterschrieben haben?“
Er sah sie herausfordernd an und Violet spürte, wie ihr der Mut sank. Dieser Mensch war nicht nur redegewandt, er hatte auch eine derart selbstsichere Art, dass man sich vor ihm wie ein Verbrecher fühlte, selbst wenn man im Recht war. Seine Klienten waren bei ihm auf jeden Fall gut aufgehoben.
„Wir haben einen Probemonat vereinbart, Mr. Marlow“, wehrte sie sich.
„Einen Monat – allerdings“, entgegnete er scharf. „Aber Sie sind noch nicht einmal einen ganzen Tag hier. Wissen Sie, dass ich Sie vor Gericht bringen und die Summe für die in Auftrag gegebenen Kleider verlangen kann?“
Mit Genugtuung sah er das Erschrecken in ihrem Gesicht und fuhr nun sanfter fort.
„Ich weiß nicht, was Sie mit „falschen Voraussetzungen“ meinen, Miss Burke – aber es wird sich klären lassen. Falls es Charles betreffen sollte – ich werde ihn mir vornehmen. Und die Aufgaben, die Sie in diesem Haus erwarten, werden ganz gewiss nicht ihre Fähigkeiten übersteigen.“
Ein schmales Lächeln umspielte seine Lippen und Violet begann zu zittern. Jene Aufgaben, von denen er so lässig sprach, waren nichts Anderes, als dass sie ihm zu Willen sein sollte.
„Nein Sir“, sagte sie mit Nachdruck. „Ich werde auf keinen Fall bleiben – selbst wenn Sie mich vor Gericht bringen sollten. Mein Gepäck ist bereits gerichtet – ich komme nur, um mich zu verabschieden. Leben Sie also wohl, Mr. Marlow.“
Sie nickte ihm mit leiser Neigung des Kopfes zu und wandte sich zur Tür.
„Verdammt noch mal!“, brüllte Marlow hinter ihr.
Er war so rasch an ihr vorbeigesprungen, dass er die Tür noch vor ihr erreichte, und stand ihr nun breitbeinig im Weg, den Rücken an die Tür gelehnt. Seine blassen Wangen hatten sich mit einer schwachen Röte überzogen und Violet erschrak vor seinem zornig blitzenden grauen Augen.
„Was ist das für eine verfluchte Weiberlaune?“, tobte er. „Heute so – morgen so! Sie werden gefälligst hier bleiben und tun, was ich von Ihnen verlange!“
Violet war zurückgewichen, denn sie hatte im ersten Schrecken geglaubt, er wolle sie anfassen und mit Gewalt zurückhalten. Sein zorniges Gebrüll beeindruckte sie jedoch viel weniger als der kalte Spott, den er normalerweise vor sich hertrug. Jetzt war er wenigstens ehrlich und sie konnte ihm die Stirn bieten.
„Ich denke nicht daran“, fauchte sie. „Ich habe gekündigt und Sie habe kein Recht mehr, mich herumzukommandieren. Geben Sie die Tür frei, Mr. Marlow!“
Ihr Widerstand schien ihn noch mehr aufzubringen, denn seine Augen zogen sich schmal zusammen und er kreuzte die Arme über der Brust.
„Was passt Ihnen nicht an dieser Stellung, Miss Burke“, fragte er, ohne sich um ihre Forderung zu scheren. „Sie bekommen
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