Schwarze Rose der Nacht - Amber, P: Schwarze Rose der Nacht
erblickte sie einen einsamen Putzeimer, aus dem ein Lappen heraushing, und einen Schrubber, der an der Wand lehnte. Dann erst entdeckte sie Charles und Maggy. Der kräftige Mann hatte das Mädchen in die Ecke gedrängt und seine Hände weit unter ihre Röcke geschoben. Was er dort tat, konnte Violet nicht sehen, doch es schien Maggy sehr zu gefallen, denn sie hatte die Augen fest zugekniffen und auf ihrem Gesicht lag ein seliger Ausdruck, als sähe sie eine große Sahnetorte vor sich.
Als Violet so plötzlich auftauchte, zog Charles die Hände rasch zurück und verschränkte sie hinter seinem Rücken. Seine herabsinkenden Schultern drückten Unterwürfigkeit aus.
„Guten Morgen, Miss Burke“, rief er scheinheilig. „Maggy und ich haben gerade …“
„Du wirst in der Küche gebraucht, Maggy“, unterbrach Violet seine Erklärungsversuche in ungewohnt scharfem Ton.
Maggy eilte mit rotem Kopf davon und ordnete im Laufen ihre Röcke. Charles gab sich Mühe, zerknirscht auszusehen.
„Sie sollten nicht vergessen, dass Sie verheiratet sind, Charles!“, sagte Violet ärgerlich.
Er lachte auf, als sie dies ein köstlicher Scherz. Dieser Mensch war wirklich durch und durch verlogen.
„Es ist ganz anders, als es vielleicht ausgesehen hat, Miss Burke. Ich habe Maggy zur Rede gestellt. Sie muss gestern in der Kammer gewesen und wollte es partout nicht zugeben. Dabei hat Mr. Marlow doch streng verboten, diese Räume zu betreten.“
Violet glaubte ihm kein Wort und ärgerte sich über seine Frechheit.
„Wer sagt Ihnen, dass Maggy gestern in der Kammer war?“
„Sehen Sie denn nicht den Schmutz auf dem Teppich? Man erkennt ja noch die Abdrücke der Schuhe.“
In der Tat waren Fußabdrücke auf dem Teppich zu sehen, zwar nur schwach, denn der Teppich war insgesamt nicht gerade sauber. Die dunklen Flecken waren vor der Kammertür recht deutlich und verloren sich dann immer mehr in der Mitte des Flures.
„Gestern hat es geregnet“, stellte Charles mit kriminalistischem Sinn fest. „Und das da, ist nasser Straßenschmutz. Oder waren Sie, Miss Burke, etwa gestern in der Kammer?“
„Ganz sicher nicht, Charles“, gab sie kopfschüttelnd zurück. „Putzen Sie jetzt das Fenster und reinigen Sie den Teppich.“
„Natürlich, Miss Burke. Genau das hatte ich gerade vor.“
Er machte sich eifrig daran, den nassen Lappen auszuwringen, und begann, das Fenster zu bearbeiten. Draußen schien ausnahmsweise die Sonne und setzte blitzende Fünkchen in die noch regenschweren Zweige der Wacholderbüsche.
Violet war kaum in ihr Zimmer getreten, da erklang Maggys laute Stimme aus der Halle.
„Miss Burke – die Schneiderin ist da.“
Richtig – das erste der bestellten Kleider sollte heute schon fertig sein. Mitleidig dachte sie an die Näherinnen, die ganz sicher die Nacht hindurch hatten arbeiten müssen, in einer engen Kammer zusammengepfercht unter dem Schein einer einzigen Gaslampe.
„Begleite Mrs. Murdstone hinauf, Maggy. Ich bin in meinem Zimmer.“
Die Schneiderin machte ein ziemlich lästiges Theater um ihre erste Lieferung. Sie ließ Maggy den großen Pappkarton in die Mitte des Zimmers auf den Boden stellen und erging sich zuerst einmal in Klagen über ihren Rücken, das schlechte Wetter und die vielen eiligen Bestellungen, die ihr angeblich das Leben schwer machten.
„Ich habe zwei Aufträge meiner besten Kundinnen beiseitegeschoben, Miss Burke. Ich hoffe wirklich, dass ich mir damit keinen größeren Ärger eingehandelt habe. Lady Wittstock braucht das Gesellschaftskleid noch heute Abend und wir haben noch nicht einmal mit den Stickereien begonnen.“
„Mr. Marlow weiß Ihre rasche Arbeit ohne Zweifel zu schätzen“, unterbrach Violet ihren Redefluss.
„Da bin ich ganz sicher, Miss Burke. Er schickte gestern einen Boten, um mir noch einen Mantel für Sie in Auftrag zu geben. Ein zarter Grauton, mit dunklem Pelzbesatz, ganz mit Seide ausgefüttert.“
Es hörte sich an, wie aus dem Märchen und Violet verspürte zum wiederholten Mal ein heftiges Unbehagen. Wieso stattete er sie mit solch sündhaft teuren Kleidern aus? Um sie beim Frühstück ungestraft herunterputzen und beleidigen zu können?
Mrs. Murdstone hatte inzwischen die Schnur gelöst, mit der der Karton umwickelt war und sie hob mit vielversprechendem Lächeln den Deckel an, als packe sie ein lang ersehntes Weihnachtsgeschenk aus.
Es war ein Gesellschaftskleid aus hellblauem, glänzendem Stoff, mit zarten, weißen Rüschen um den
Weitere Kostenlose Bücher