Schwarze Rose der Nacht - Amber, P: Schwarze Rose der Nacht
wie viel von den Speisen übrig geblieben war. Zu Violets Überraschung lächelte sie ihr zu.
„Aber ja, Miss Burke. Mr. Forch liebt gutes Essen, es macht Freude, für ihn zu kochen. Ich denke, es wird ein Hammelgericht geben, dazu Reis, Gemüse und eine Nachspeise. Mr. Forch mag Süßes.“
„Das hört sich gut an. Wer kümmert sich um den Wein?“
„Das macht Mr. Marlow selbst.“
Die Köchin lächelte immer noch und Violet wurde klar, dass sie sich über Violets Frühstücksappetit freute. Marlow hatte wie üblich kaum etwas angerührt.
„War der Morgentee zu Ihrer Zufriedenheit, Miss Burke?“
„Ganz wunderbar, Mrs. Waterbrook. Auch die Kekse waren sehr lecker.“
„Ich dachte mir, dass Sie eine kleine Aufmunterung am Morgen brauchen können“, meinte die Köchin und ordnete das Geschirr geschickt auf dem Tablett an.
Also war es keineswegs Marlows Idee gewesen, ihr den Morgentee bringen zu lassen. Das hätte sie sich eigentlich denken können.
„Mr. Marlow ist hin und wieder etwas kurz angebunden“, sagte Mrs. Waterbrook, während sie mit dem Geschirr klapperte. „Sie müssen sich das nicht zu Herzen nehmen – im Grunde ist er ein guter Mensch.“
„Sicher …“
Violet gab sich große Mühe, ihre Gesichtszüge zu beherrschen. Ein guter Mensch! Ein Sadist war er. Ein notorischer Frauenhasser und Menschenschinder. Und ein Besserwisser obendrein.
Immerhin hatte Mrs. Waterbrooks Freundlichkeit etwas Tröstliches, und Violet überlegte, ob sie diese erstaunliche Wandlung Marlows hartem Durchgreifen zu verdanken hatte, oder ob die Köchin tatsächlich eine andere Meinung von ihr bekommen hatte.
„Mr. Waterbrook ist dabei, den Flur zu reinigen und das Fenster zu putzen“, berichtete die Köchin. „Es wird allerdings nicht viel nutzen, denn das Fenster ist undicht.“
„Dann sollte man es reparieren lassen.“
Die Köchin hatte schon das volle Tablett angehoben, jetzt seufzte sie und stellte es wieder auf dem Tisch ab.
„Es muss eine ganze Menge an diesem Haus gerichtet werden, Miss Burke. Angefangen von dem Herd in der Küche. Ich habe Mr. Marlow schon oft gesagt, dass der Herd raucht und ich dauernd rote Augen habe. Vielleicht haben Sie ja mehr Glück mit solchen Vorschlägen.“
Daran zweifelte Violet allerdings sehr.
„Hat Mr. Marlow gesagt, weshalb er den Herd nicht richten lassen möchte?“
„Ich glaube, ihm liegt an dem ganzen Haus nicht mehr viel. Eine Weile wollte er es sogar verkaufen, aber da sich kein passender Käufer fand, hat er es bisher noch nicht getan.“
Violet sah, dass die Miene der Köchin traurig war und sie begriff, dass sie an dem alten Haus hing.
„Mr. Marlow leidet sicher noch unter dem Tod seiner Frau“, vermutete sie. „Deshalb möchte er wohl auch nicht, dass jemand die Räume im zweiten Stock betritt.“
Zu ihrer Überraschung zuckte Mrs. Waterbrook mit den Schultern.
„Das Haus war die Mitgift der verstorbenen Mrs. Marlow“, berichtete sie. „Mr. Marlow hat es nach ihrem Tod geerbt. Er selbst hatte nur wenig Vermögen, aber seine Schwiegereltern, Mr. und Mrs. Chrestle, sind sehr wohlhabend und besitzen mehrere Häuser. Und die verblichene Mrs. Marlow war die einzige Tochter der Chrestles.“
„Aber Mr. Marlow verdient doch sicher eine Menge Geld als Anwalt und Advokat!“
„Das ist wahr“, gab Mrs. Waterbrook zurück und nahm das Tablett wieder auf. „Aber ich glaube, dass einer wie Mr. Marlow noch so gut in seinem Beruf sein kann – er wird trotzdem niemals so reich werden wie solche Leute. Die geben ihr Vermögen vom Vater auf den Sohn, und das schon seit Jahrhunderten.“
Mrs. Waterbrook entschied, nun genug geschwatzt sie haben, sie schob die angelehnte Tür mit dem Fuß auf und trug ihr Tablett hinaus.
„Maggy!“, hörte man sie ärgerlich rufen. „Wo treibst du dich herum? Komm herunter in die Küche – es gibt Arbeit!“
Auch Violet verließ das Speisezimmer, in dem das Kaminfeuer inzwischen niedergebrannt war. Es tat ihr Leid, dass dieses schöne alte Haus so vernachlässigt wurde und sie überlegte, ob es sinnvoll wäre, eine Liste der notwendigen Reparaturen aufzustellen. Doch wozu? Marlow würde das Papier vermutlich nur beiseiteschieben und ihr erklären, dies sei nicht ihre Angelegenheit. Seufzend stieg sie die Treppe zum zweiten Stock hinauf, wo gewisse Geräusche vermuten ließen, dass Charles fleißig bei der Arbeit war.
Sie hatte sich getäuscht. Als sie die letzte Stufe nahm und in den Flur hineinsah,
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