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Schwarze Rose der Nacht - Amber, P: Schwarze Rose der Nacht

Schwarze Rose der Nacht - Amber, P: Schwarze Rose der Nacht

Titel: Schwarze Rose der Nacht - Amber, P: Schwarze Rose der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Amber
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hielt und sie Marlows laute Flüche vernahm. Zitternd schmiegte sie sich an die kalte, feuchte Wand, spürte den üblen Geruch nach Moder und Urin und schloss die Augen, als der Laternenschein dicht an ihr vorüberstrich.
    „Violet! Nun komm schon. Violet!“
    Das Licht glitt vorbei, er hatte sie nicht gesehen. Aufatmend lehnte sie den Kopf zurück und öffnete die Augen. Es war finster um sie, und sie merkte plötzlich, dass sie erbärmlich fror, denn sie trug nur das weit dekolletierte Abendkleid und die zierlichen Schuhe aus weichem Leder. Sie hörte das Rasseln der Kutsche, die sich wieder in Bewegung setzte, und war einen Augenblick lang versucht, ihr nachzulaufen. Doch sie unterließ es. Nichts in der Welt würde sie dazu bringen, Marlow als Bittstellerin vor die Augen zu treten.
    Als sie den Gestank im Hauseingang nicht mehr aushielt, trat sie vorsichtig auf die dunkle Straße hinaus. Der Regen hatte aufgehört, doch es war kalt und die feuchte, nebelige Nachtluft setzte sich wie ein eisiger Hauch auf ihre bloße Haut. Sie hatte keine Ahnung, wo sie sich befand, aber dem schlechten Straßenpflaster und dem Gestank nach zu urteilen, war sie keinesfalls mehr in der City. Vermutlich hatte die Kutsche bereits die ersten Gassen von Whitechapel erreicht.
    Ihr Herz krampfte sich zusammen. Wie hatte sie nur jemals Sympathie für diesen Menschen empfinden können? Er war kalt wie Eis und strotzte vor Eitelkeit und Selbstsucht. Wie sehr er sie gedemütigt und verletzt hatte! Sie wollte ihn niemals in ihrem Leben wiedersehen.
    Sie tastete sich an den Häusern entlang, ständig in der Angst, im Finstern auf einen vor der Tür schlafenden Bettler oder einen Hund zu stoßen, und erblickte endlich in einiger Entfernung den gelblichen Schein einer Straßenlaterne. Erleichtert löste sie sich von der Hauswand und ging darauf zu.
    Nebelfrauen tanzten im Laternenschein einen geisterhaften Schleiertanz, eine Katze huschte wie ein grauer Schatten über die Straße und tauchte wieder in die Dunkelheit ein, aus der sie gekommen war. Violet hatte die Arme über der Brust gekreuzt, sie fror erbärmlich, ihre Füße waren nass, denn die Schuhe hatten sich in den tiefen Regenpfützen voll Wasser gesaugt. Dazu stolperte sie ständig über allerlei Unrat, der auf der Straße herumlag und bald vernahm sie auch ein Huschen und Fiepen, das sie vor Abscheu erstarren ließ. Hier hausten Ratten, die sich in der Nacht auf die Jagd nach allerlei Fressbarem machten.
    Ganz sicher war sie bereits in Whitechapel, vielleicht auch etwas südlicher in der Nähe des Flusses – oh Gott, wenn sie nur genauer wüsste, wo sie sich befand. Es konnte nicht mehr allzu weit sein, bis zu Grace’ Haus, wo sie wenigstens etwas Wärme und ein Nachtlager erhoffen konnte. Ob Grace bereit war, sie nach allem, was gewesen war, wieder bei sich aufzunehmen, das stand dahin.
    Sie lief dicht an den Häusern entlang und versuchte, im Schein der Laterne etwas wie ein Straßenschild zu entdecken. Doch umsonst. Die Gebäude waren aus Backstein und ziemlich heruntergekommen, hier anzuklopfen und nach dem Weg zu fragen war lebensgefährlich. Es war mitten in der Nacht und sie trug ein weit ausgeschnittenes, teures Kleid – es gab Gerüchte von jungen Mädchen, die man im Eastend entführt und später nie mehr wieder gesehen hatte.
    Sie kämpfte sich einige Straßen weiter, wäre fast über eine alte Holzkiste gefallen, die am Bordstein vor sich hin moderte, da erblickte sie ein schwaches Licht, das aus einem der Häuser zu dringen schien. Vorsichtig ging sie darauf zu, ihre Füße waren jetzt so kalt, dass sie sie kaum noch spürte und der Saum des Kleides zog schwer herab, denn er hatte sich voll Wasser gesogen. Stimmen drangen zu ihr hinüber, zuerst leise, als sie weiter voranschritt erkannte sie grölende Männerstimmen, die für kurze Zeit den Versuch machten, ein Seemannslied zu singen, das jedoch in Geschrei endete. Deutlich war das schrille Lachen einer Frau herauszuhören. Eine Kneipe. Sie hatte sich also nicht getäuscht – sie war in der Nähe des Flusses, wo sich die Docks befanden und die Matrosen ihre Heuer für billigen Branntwein und Prostituierte ausgaben.
    Sie wünschte sich einen Mantel oder wenigstens einen Umhang herbei – wenn sie in diesem Kleid in der Kneipe auftauchte, um sich nach dem Weg zu erkundigen, würde sie vermutlich ein ziemliches Aufsehen erregen. Gar nicht zu reden von den Männern, die sie für eine Prostituierte halten und sie

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