Schwarze Rose der Nacht - Amber, P: Schwarze Rose der Nacht
aller Ruhe seinen Champagner aus.
„Wenn Sie weiter so heulen, haben Sie nachher rote Augen, Miss Burke“, murmelte er unfreundlich. „Nehmen Sie sich zusammen.“
Er verdarb ihr damit den Rest der wundervollen Oper. Nach dem nicht enden wollenden Applaus, den zahlreichen Vorhängen und den blasierten Kommentaren der Ladies und Gentlemen, die mit ihnen in der Loge gesessen hatten, lud Mr. Milverton die ganze Gesellschaft in sein Stadthaus ein, um den Abend dort in angenehmer Gesellschaft zu beenden.
„Leider müssen wir uns verabschieden“, sagte Marlow im Tonfall echten Bedauerns. „Meine Nichte ist es nicht gewohnt, so lange aufzubleiben, und ich habe versprechen müssen, die Abende nicht über Gebühr auszudehnen.“
„Aber wer wird denn so streng sein!“, regte sich Mr. Milverton auf. „Einmal kann man doch eine Ausnahme machen.“
„Nun – meine Nichte hat in dieser Woche viel Aufregendes und Neues in London erfahren, und ich möchte nicht, dass sie am Ende noch krank wird. Schließlich trage ich die Verantwortung für ihr Wohlergehen.“
Marlows Tonfall war jetzt sehr entschieden, sodass der schwer enttäuschte Milverton nichts mehr zu entgegnen wagte.
„Aber unseren kleinen Ausflug aufs Land, den werden Sie doch genehmigen. Was meinen Sie, Miss Violet. Am kommenden Sonntag?“
„Am Sonntag?“
Violet sah Marlow fragend an, doch der zeigte nur ein unverbindliches Lächeln.
„Warum nicht?“, meinte sie zögernd. „Wenn Onkel Nicholas nichts dagegen hat …“
„Also abgemacht“, rief Milverton begeistert und küsste ihr die Hand. „Ich komme gegen zehn Uhr, um Sie abzuholen. Und falls Nicholas etwas Anderes vorhaben sollte, dann kann er seine Nichte ganz unbesorgt meinem väterlichen Schutz anvertrauen.“
Marlow sorgte dafür, dass ihnen unverzüglich ihre Mäntel gebracht wurden, und schob Violet durch die Eingangshalle des Theaters, wo sich die Opernbesucher drängten und auf eine Kutsche warteten.
„Bleiben Sie hier stehen und rühren Sie sich nicht vom Fleck!“, befahl er und verschwand, um einen Hansom zu besorgen. Die Halle war zugig, da die breiten Türflügel offen standen, an den Eingängen war der Fußboden vom Regen feucht und wirkte schmutzig. Violet begann zu frösteln. Die Hochstimmung, die sie anfangs beim Anblick der kostbaren Räume und schönen Abendroben empfunden hatte, war plötzlich dahin. Die Menschen, die sich an ihr vorüber schoben, sahen blass und erschöpft aus, die Frisuren der Ladies schienen gelitten zu haben und die Mantelstoffe rochen nach Nässe und Mottenkugeln.
„Miss Burke! Welch angenehme Überraschung!“
Sie schrak zusammen, denn die Stimme war ihr wohlbekannt. Vor ihr stand, wie aus dem Boden herausgewachsen, Mr. Spyker, lächelte von einem Ohr bis zum anderen, und sein Mantel strömte einen ekelerregenden Kampfergeruch aus.
„Guten Abend“, stammelte sie. „Ich hoffe, es geht Ihnen gut, Mr. Spyker.“
„Nur halb so gut, wie es Ihnen ganz offensichtlich geht, junge Lady. Fast hätte ich Sie in diesem Aufzug nicht erkannt. Da sind Sie ja die Treppe ganz ordentlich hinaufgefallen.“
Violet trat einen Schritt zurück, denn er näherte sich ihr so unbefangen, als wolle er sie beschnüffeln.
„Ich weiß nicht, was Sie meinen, Mr. Spyker“, sagte sie ärgerlich. „Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen wollen, ich warte auf einen Bekannten.“
„Schau an“, sagte Spyker und grinste zweideutig. „Dachte ich doch, dass es darauf hinausgeht. Da wünsche ich viel Glück, Miss Burke. Und falls die Dinge einmal nicht mehr so gut laufen und Sie einen guten Freund brauchen sollten – ich bin immer für Sie da.“
„Vielen Dank!“, gab sie kurz angebunden zurück und wandte Spyker den Rücken zu.
In diesem Moment kam Marlow direkt auf sie zugelaufen, sein Zylinder und seine Schultern glänzten vor Nässe, seine zusammengekniffenen Augen und der schmal verzogene Mund bedeuteten nichts Gutes.
Natürlich hatte er Spyker gesehen. Er sah meistens das, was er nicht sehen sollte.
Marlow beherrschte seinen Zorn solange, bis der Kutscher den Schlag hinter ihnen geschlossen hatte und das Gefährt sich in Bewegung setzte. Dann packte er wütend Violets Arme und zog ihren Körper dicht zu sich heran.
„Jetzt ist Schluss mit Ihren Capricen, Lady“, zischte er ihr ins Gesicht. „Wenn Sie glauben, mich zum Narren machen zu können, dann haben Sie sich getäuscht.“
„Lassen Sie mich los, Sie tun mir weh!“
Sie versuchte, sich aus
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