Schwarze Rosen
der Staatsanwalt nüchtern.
Eine lange Pause entstand, in der niemand sprach.
»Und was ist mit dem Motiv oder den Motiven, die ihn zum Töten veranlasst haben?«, fragte Vinci weiter. »Was denken Sie, Maresciallo, da Sie ja so gut vorbereitet sind?«
Gori zählte die fünf Typen nach der Typologie der Serienmörder auf: den Halluzinanten, den Missionar, den Hedonisten, den Triebgesteuerten und den Machtbesessenen.
»Und in welche Kategorie fällt unser Täter?«, erkundigte sich Vinci interessiert.
»Das ist das Problem. Wenn man sich die Tatumstände ansieht, würde ich sagen, er ist ein Halluzinant oder ein Hedonist.«
»Was heißt das genau?«, hakte Vinci nach.
»Der Halluzinant tötet auf Befehl von Stimmen, die er zu hören glaubt. In unserem Fall könnte es die Stimme des Teufels sein, zumal, wenn sich eine Verbindung zu der Tat in der kleinen Kirche herstellen ließe.«
»Sie denken, dieser Mord gehört ebenfalls zu der Serie? Worauf gründen Sie diese Annahme?«
Der Maresciallo schien kurz nachzudenken, dann antwortete er: »Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es zwar keine konkreten Hinweise auf einen Zusammenhang, aber wir wissen, dass der Commissario sich im Rahmen der Ermittlungen zu dem Geschehen in der Kirche mit Silvia De Luca getroffen hat. Man kann also nicht ausschließen, dass auch dieser Ritualmord Teil desselben kriminellen Plans ist.«
»Der Täter würde demnach die Stimme des Satans halluzinieren und auf deren Befehl handeln?«
»Richtig, Dottore.«
»Und der Hedonist?«
»Der Hedonist empfindet ein sehr spezielles Vergnügen beim Töten. Einen Mord zu begehen vermittelt ihm ein überaus lustvolles Gefühl, sozusagen einen emotionalen Orgasmus.«
»Ähnlich dem Kitzel, den ein Glücksspieler empfindet, wenn er auf das Ergebnis seines Einsatzes wartet?«
»Genau. Die Delikte scheinen eine sexuelle Komponente zu haben, doch der Mörder hat seine Opfer nicht vergewaltigt. Er bezieht seine Lust allein aus dem brutalen Töten.«
»Verstehe. Ich danke Ihnen für Ihre Ausführungen, Maresciallo. Allerdings, was den Vorfall in der Kirche angeht, deutet alles darauf hin, dass mehrere Personen daran beteiligt waren und er nicht auf einen einzelnen Serientäter zurückgeführt werden kann«, gab der Staatsanwalt zu bedenken.
»Ja, das ist das einzige Element, das nicht passt«, räumte Gori ein.
»Nun möchte ich gern noch hören, was der Commissario darüber denkt«, sagte Vinci.
Ferrara war dem kleinen Vortrag nach wie vor nur zerstreut gefolgt. Das war alles nichts Neues für ihn. Er hatte immer noch das Bild der grausam ermordeten Silvia De Luca vor Augen, nackt und wie gekreuzigt auf dem Fußboden liegend, und die Worte von Luca Fiore in den Ohren. Außerdem dachte er wiederholt an den Mann, dem er vor dem Büro des Oberstaatsanwalts begegnet war. Er konnte es nicht beschwören, aber Ferrara schien, dass er ein ehemals bekannter Staatspolitiker war, der sich seit ein paar Jahren nicht mehr häufig in der Öffentlichkeit blicken ließ.
Kann es sein, dass die Politik da ihre Finger im Spiel hat?, hatte er gerade gegrübelt, als der Staatsanwalt ihn auf den Plan gerufen hatte.
»Ohne den Vorfall in der entwidmeten Kirche wäre die Hypothese des Serienmörders tatsächlich die bedenkenswerteste«, hob er nun an. »Es fällt mir jedoch schwer zu glauben,dass ein Einzeltäter die verbrannte Frau getötet hat, noch dazu unter diesen Begleitumständen. Es müssen mehrere Personen dabei gewesen sein, wie die Fußabdrücke belegen. Außerdem sind wir nur in diesem Fall auf satanistische Symbole gestoßen, was auf eine Gruppe von Kriminellen, von Teufelsanbetern, schließen lässt.«
»Gewiss, das sind die objektiven Fakten, die wir nicht außer Acht lassen dürfen«, bemerkte Vinci. »Aber nun sagen Sie, Commissario, was halten Sie von diesem jüngsten Fall?«
Ferrara runzelte die Stirn, als dächte er nach. Er war in der Zwickmühle. Sollte er seine Version darlegen? Das würde bedeuten, den anonymen Brief von 2003 zu erwähnen, den mit den Rosen und den Kapuzenträgern, und er wusste nicht, wie der Staatsanwalt darauf reagieren würde, dass er ihn über ein Jahr lang in einer Aktenmappe unter Verschluss gehalten hatte. Nein, er sagte besser nichts davon. Auch nicht von dem Brief, den er zu Hause erhalten hatte. Man würde ihn nur wieder als einen hinstellen, der überall Komplotte und persönliche Feinde witterte.
»Nun, Commissario?«, drängte Vinci.
»Gesetzt den Fall, dass ein-
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