Schwarze Rosen
Gefängnispolizei, der an der Tür gewartet hatte, die Beschuldigte in Gewahrsam nahm, um sie in ihre Zelle zurückzuführen.
Ihr Aufenthalt dort würde sich in die Länge ziehen. Dessen war sich der Staatsanwalt nun sicher, nachdem er am Abend zuvor von der neuesten Entdeckung erfahren hatte: dem in ihrem Besitz befindlichen Film von Madalena Da Silvas Ermordung.
Damit konnten sie die Frau definitiv belasten, und kein Ermittlungsrichter würde sie auf freien Fuß setzen.
Möglicherweise war das erst der Anfang. Vielleicht war sie nur ein Teil des Puzzles, das sie noch zusammensetzen mussten. Aber sicher ein wichtiges Teil, daran bestand kein Zweifel.
Sobald Vinci das Gefängnis verlassen hatte, rief er Ferrara an, um ihn auf den neuesten Stand zu bringen. »Gibt es bei Ihnen etwas Neues?«, fragte er zum Schluss.
»Ja, kann man so sagen.«
»Nun?«
»Wir haben den Empfänger der E-Mails der Verdächtigen identifiziert. Eine Einheit ist zu seiner Wohnung an der Piazza Santa Croce gefahren, um ihn aufs Präsidium zu bringen.«
»Ausgezeichnet. Halten Sie ihn fest und vernehmen Sie ihn! Und mich halten Sie auf dem Laufenden! Ich werde derweil die Anweisungen für die nicht wiederholbaren Laboruntersuchungen vorbereiten. Sie müssen schnellstmöglich durchgeführt werden.«
»Ja, gut.« Nachdem er aufgelegt hatte, dachte der Commissario, dass sie womöglich einen Fehler begangen hatten. Vielleicht wäre es besser gewesen, die Frau nicht gleich zu verhaften und sie auch nicht als Zeugin zu vernehmen, sondern zunächst ihr Telefon abzuhören und sie unauffällig zu beschatten. Ein paar Polizisten auf ihren Fersen hätten möglicherweise noch Interessanteres zutage gefördert, auch über ihren Komplizen oder die Komplizen. Doch die Umstände hatten ihn dazu veranlasst, die Ermittlungen voranzutreiben. Letztendlich, sagte Ferrara sich zum Trost, waren die Ereignisse schuld. Sie hatten sich überstürzt. Hinzu kamen noch der Druck von oben und die Angriffe in den Medien. Seine Tage in Florenz waren gezählt.
Ob der Fehler, wenn es denn einer war, wiedergutzumachen war? Er würde sich mit aller Kraft darum bemühen.
Das Glück schien ihnen auf einmal hold zu sein.
126
Etwa um dieselbe Zeit sprach Teresa Micalizi mit einem alten Mann, der trotz der Hitze eine Hausjacke über einer wollenen Hose trug. Es war der Wohnungsnachbar eines gewissen Leonardo Berghoff.
Zuvor hatten sie wiederholt an Berghoffs Tür geklopft, ohne dass jemand geantwortet hatte. Die Läden der Fenster, die auf die Piazza hinausgingen, waren wie zur Nacht geschlossen. Folglich hatte sich der Mann entweder in seiner Wohnung verschanzt, nachdem er vom Schicksal seiner Freundin erfahren hatte, oder er war tatsächlich nicht da.
Aus dem Innern war kein Laut zu hören.
Die Beamten hatten erwogen, die Tür aufzubrechen, dann aber doch zuerst bei der einzigen Wohnung auf derselben Etage geklingelt.
»Signor Leonardo ist nicht zu Hause. Es ist zwecklos, Sturm zu läuten und so einen Heidenlärm zu machen«, sagte der Alte, während er seine karierte Jacke zurechtzog.
»Sind Sie sicher, dass er nicht da ist?«
»Ich habe ihn gestern weggehen sehen. Er hatte einen Koffer in der Hand. Er verreist fast jeden Monat für ein paar Tage.«
»Wissen Sie, wohin er gefahren ist?«
»Ich glaube, zu dieser armen Frau, die ihn aufgezogen hat.«
»Zu seiner Mutter?«
»Sie hat denselben Nachnamen wie er, aber hier in der Nachbarschaft kursiert das Gerücht …«
»Ja?«
Der Mann zuckte die Schultern. »Es heißt, er sei nicht ihr leiblicher Sohn und diese Wohnung sei ihr von einem Liebhaber gekauft worden.«
»Von wem genau?«
»Das weiß ich nicht, doch wie gesagt, es ist nur ein Gerücht. Vor vielen Jahren wurde hier und da mal jemand gesehen, und da fing das Gerede an. Es waren immer verschiedene Männer.«
»Und was redet man sonst noch?«
Der Mann lächelte abfällig. »Man sagt, dass sie damals als Dienstmädchen nach Italien gekommen sei oder als eine Art Gouvernante und dass sie von einem Liebhaber zum anderen gewechselt sei und sich von ihnen aushalten ließ. Auf diese Weise ist sie gesellschaftlich aufgestiegen. Sie war eine sehr schöne Frau, wissen Sie, trug immer teure Kleider und wertvollen Schmuck. Man kann nicht sagen, dass sie eine unauffällige Erscheinung war.«
»Und wo wohnt sie jetzt?«
»Das weiß ich nicht, aber ich glaube, im Ausland. Sie war nämlich Deutsche.«
»Sie haben keine Adresse?«
»Nein. Wir hatten keinen
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