Schwarze Rosen
Sie angerufen«, sagte der Ispettore, kaum dass er bei ihr war.
»Wer denn?«
»Ein Maurizio. Er hat gesagt, er ist ein Freund von Ihnen und Sie möchten ihn so bald wie möglich zurückrufen.«
»Danke, Ispettore.«
»Sind Sie müde, oder geht es Ihnen nicht gut, Dottoressa? Sie sind sehr blass!«
»Nein, mir geht es gut. Ich habe nur vielleicht ein kleines Problem.«
»Entschuldigen Sie, ist es persönlich oder beruflich? Denn wenn es beruflich ist, könnte ich Ihnen unter Umständen helfen.«
»Es ist rein beruflich.«
»Dann lassen Sie uns einen Kaffee trinken gehen!«
Unterwegs gestand sie dem Kollegen ihre Unsicherheit. Sie hatte bei der Nazione nichts über den Artikel, den der Commissario ihr gezeigt hatte, in Erfahrung bringen können. Sie hätte beharrlicher sein müssen, warf sie sich vor, sich nicht mit dem Vorwand des Berufsgeheimnisses abwimmeln lassen sollen, mit dem ihr der Chefredakteur gekommen war. Deshalb traute sie sich jetzt nicht zu Ferrara. »Meinen Sie, ich habe versagt, Ispettore?«
»Ach was, nehmen Sie’s nicht so schwer. Die Medien halten immer wieder kleine Überraschungen für uns bereit. Das hätte auch jemandem mit mehr Dienstjahren auf dem Buckel passieren können. Und wegen der Reaktion des Chefs brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Er kennt sich aus mit den Journalisten und ihren Tricks.«
Das machte ihr Mut. »Danke, Ispettore. Ich schulde Ihnen eine Pizza.«
Inzwischen hatten sie die Kaffeebar erreicht.
»Surace, ich lege dir das hier hin.« Es war der Bericht über die Befragung von Alvise Innocenti. »Lies ihn und unterschreib ihn dann ebenfalls! Wir schicken ihn an die Staatsanwaltschaft. Ich wollte lieber schwarz auf weiß festhalten, wie sich dieser Mann benommen hat. So kann sich der Staatsanwalt selbst ein Bild machen.«
»Sehr gut, Maresciallo, wird gleich erledigt«, antwortete Surace und nahm einen Stift zur Hand.
»Und sonst, womit bist du gerade beschäftigt?«
»Ich mache das Fotoalbum fertig.«
Die Kennzeichen der Autos bei der Beerdigung waren bereits überprüft worden, und für jeden Fahrzeughalter war eine Karteikarte mit den wichtigsten Informationen angelegtworden: die vollständigen Personalien, Adresse, Beruf, eventuelle polizeiliche Anzeigen und Vorstrafen, anhängige Verfahren und so weiter. Dazu war an jeder Karte ein Foto des oder der Betreffenden befestigt worden.
»Ausgezeichnet. Denk daran, Commissario Ferrara eine Kopie zu schicken, zusammen mit dem Bericht!«
»Natürlich, Maresciallo. Schicke ich noch heute per Kurier ab. Oder nein, wir können ihm die Unterlagen auch selbst geben, wenn wir später zu der Besprechung gehen.«
»Danke dir. So machen wir’s.«
»Und danach werde ich mir die Kundenliste dieses Immobilienbüros vornehmen.«
»Einverstanden. Gute Arbeit, Surace.«
66
Die Beileidsbesuche waren fürs Erste vorbei. Alvise Innocenti und seine Frau konnten endlich miteinander reden.
»Wer war dieser Schnüffler, der mich so angestarrt hat?«, fragte die Frau. »Er kam durch den Flur und hat aufdringlich zu mir hereingeschaut.«
»Carabinieri. Carabinieri in Zivil.«
»Was wollten die denn noch?«
»Nichts. Die haben immer noch nicht kapiert, mit wem sie es zu tun haben. Fragen über Fragen … Ob wir noch Sachen von unserer Tochter hätten, ob ich einen Verdacht hätte. Die suchen nach Informationen, verstehst du?«
»Ach, sollen wir jetzt etwa die Ermittlungen führen?«
»Sie reden von Mitarbeit …«
»Aber wir wissen doch nichts. Was denn für eine Mitarbeit? Sie sind es doch, die uns Informationen liefern müssen.«
»Laura, lass sie einfach machen! Das sind Dummköpfe, Dilettanten. Wie gesagt, die verstehen noch nicht, mit wem sie es zu tun haben. Aber denken wir an uns beide! Anfang Juli fliegen wir nach England«, wechselte er das Thema.
Sie nickte, stand auf und ging, indem sie das rechte Bein nachzog, in die Küche, um dem Hausmädchen Anweisungen zu erteilen.
Ich ertrag das nicht mehr mit diesem Bein!, schien Alvises Blick zu sagen, als er ihr nachsah. Dieser hinkende Gang, einst so vertraut, ging ihm zunehmend auf die Nerven. Allmählich fing er an, ihn regelrecht zu hassen.
67
Die Besuchszeit war seit einer Weile vorbei. Niemand war an diesem Sonntag zu ihr gekommen.
Von ihrem Bett am Fenster aus hatte sie den ganzen Nachmittag lang mit leicht aufgestütztem Oberkörper ihren Blick über den Starnberger See schweifen lassen. Begünstigt durch das schöne Wetter, hatten mehrere Regatten
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