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Schwarze Rosen

Schwarze Rosen

Titel: Schwarze Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michele Giuttari
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stattgefunden. Weiße Segel waren über das ruhige Wasser des Sees dahingeflogen, und sie hatte sich vorgestellt, wie die Konkurrenten sich auf ihren Booten zu schaffen machten, ihren Kampfgeist, die Anstrengung, die Freude. Wie immer hatte sie sie aus der Ferne angefeuert, was ihr half, die langen Stunden auszufüllen, die einfach nicht zu vergehen schienen. Auch die Ausflugsdampfer, die ihre Rundfahrten machten, und die brummenden Motorboote vertrieben ihr auf angenehmeWeise die Zeit. Kleine Dinge, die für sie, die seit Jahren bewegungsunfähig war, einen besonderen Wert bekommen hatten. Im Zimmer hing der Duft von Chanel N° 5, ihrem Lieblingsparfum.
    Sie war gerade dabei einzunicken, als das Klingeln des Telefons auf dem Nachttisch sie aufschreckte. Mit der Hand fuhr sie sich über die schneeweißen feinen Haare, die zu einem Knoten aufgesteckt waren, und nahm ab.
    »Ach, du bist es! Von wo rufst du an? Ah, aus Florenz … Warum meldest du dich überhaupt? Ist etwas passiert? Nein? Gut, ich hoffe es. Mach mir keine Sorgen, du weißt, dass ich nicht von hier fortkann … Was ich tue? Nichts, ich schaue auf den See hinaus. Heute waren Segelregatten … Ich? Doch, ich bin ganz guter Dinge. Kommst du dann nächste Woche? Ich erwarte dich, denk an meine Pralinen!«
    Nachdem sie ihrem Gesprächspartner ein Küsschen durch die Leitung geschickt hatte, legte sie auf, und ihre blauen, etwas alterstrüben Augen richteten sich wieder auf den See.
    In einigen Stunden würde die Sonne untergehen.
    68
    Um sieben Uhr abends fanden sie sich in dem großen Besprechungsraum im zweiten Stock des Präsidiums ein.
    Rizzo, der gerade aus der Gerichtsmedizin zurück war, kam herein. Er nickte den Anwesenden zur Begrüßung zu und setzte sich auf den einzigen noch freien Platz zwischen Teresa Micalizi und Antonio Sergi. An dem langen rechteckigen Tisch saßen außerdem die beiden Staatsanwälte, Vinci und sein Chef Luca Fiore, dessen starke Ähnlichkeit mit demSchauspieler Totò ins Auge fiel. Ihm ging der Ruf voraus, ein praktisch denkender Mann zu sein, der sich nicht in Geschwätz erging und, wenn er es denn wollte, stets konkrete Resultate erzielte.
    Vinci eröffnete die Sitzung. »Ich sehe mit Wohlgefallen, dass die Squadra Mobile Verstärkung bekommen hat. Endlich auch eine Vertreterin des schönen Geschlechts in den Reihen der Kriminalpolizei«, sagte er mit einem kleinen Lächeln zu Teresa Micalizi. »Herzlich willkommen! Ich wünsche Ihnen Erfolg und alles Gute.« Was er dabei dachte, war ihm ohne Weiteres anzusehen: Was für eine hübsche Frau! Die würde ich gern mal zum Joggen in den Parco delle Cascine mitnehmen.
    Teresa Micalizi errötete.
    Danach bat Vinci die Teilnehmer, den Stand der Ermittlungen zu rekapitulieren. »Anschließend vergleichen wir unsere Hypothesen.«
    Das war die übliche Vorgehensweise.
    Der Staatsanwalt holte bei schwierigen Fällen stets die Meinung seiner Mitarbeiter ein, doch am Ende war er es, der wahre Dominus der Ermittlungen, der die Entscheidungen traf. Längst vergangen waren die Zeiten, als die Polizei noch über mehr Vorrechte und Autonomie verfügt hatte, wie in den ersten zehn Jahren von Ferraras Laufbahn. Damals hatte sich der Staatsanwalt nur selten in die laufenden Ermittlungen eingeschaltet, zum Beispiel wenn ein Täter ein Geständnis abgelegt hatte. Im Jahr 1988 jedoch hatte eine neue Strafgesetzordnung das Verhältnis zwischen Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft auf den Kopf gestellt und der Polizei eine zunehmend untergeordnete Rolle zugewiesen. Inzwischen war der Staatsanwalt der eigentliche Chef und verlangte als solcher, eine Untersuchung von Anfang bis Ende selbst zuleiten. Commissario Ferrara hatte sich dem neuen System nur mit Mühe angepasst; er war ein Ermittler der alten Schule, wie es nur noch wenige gab. Die überwiegende Mehrheit der Kollegen dachte heute vor allem daran, möglichst schnell Karriere zu machen, redete daher den Staatsanwälten in allem und jedem nach dem Mund und wartete erst auf Anweisung von oben, ehe sie etwas unternahm. Eine unvertretbare Abwertung ihres Berufs, wie Ferrara fand.
    Ispettore Venturi begann und fasste zusammen, was seine Internet-Recherchen ergeben hatten.
    Auf einigen englischsprachigen Seiten hatte er den Fall der sogenannten »Chicago Rippers« gefunden, der auf die frühen Achtzigerjahre zurückging. Vom Staatsanwalt aufgefordert, seine Ergebnisse genauer darzulegen, berichtete Venturi, dass in Chicago zwischen Juni 1981 und

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