Schwarze Rosen
Armbanduhr. Sie waren etwas über eine Stunde dort drin gewesen. Erst nachdem sie mit ihrem Alfa 156 davongefahren waren, ging er auf das Haus zu und merkte sich die Namen auf den drei Klingelschildern.
Es würde ein Leichtes für ihn sein, die entsprechenden Nachforschungen anzustellen.
Er hatte vor, dieses Haus ein, zwei Tage lang zu überwachen und dazu nicht nur den Jeep, sondern auch den Mercedes zu nehmen, um keinen Verdacht zu erregen. Während er auf neue Instruktionen wartete, würde er sich erst einmal gründlich Klarheit verschaffen. Letztendlich würde er jedoch auf seinen Instinkt vertrauen.
Wie immer.
64
Ein imposantes schmiedeeisernes Tor versperrte die Zufahrt.
Oben auf beiden Pfeilern prangte ein Löwenkopf aus Marmor.
Hinter dem Tor sah man eine lange Allee mit hohen Zypressen zu beiden Seiten, die kaum Sonnenlicht hindurchließen. Ganz am Ende stand die Villa der Innocentis und strahlte Wohlleben und Reichtum aus.
»Klingel mal, Surace!«, befahl der Maresciallo und zeigte auf die Sprechanlage. »Jemand wird uns schon aufmachen.«
Surace ließ das Fenster herunter und drückte auf den weißen Klingelknopf.
Sogleich öffnete sich das Tor.
Ihr dunkelblauer Wagen mit der Aufschrift CARABINIERI war offenbar auf dem Monitor am Eingang erschienen. Sie fuhren die mit feinem weißen Kies bestreute Auffahrt hinauf und kamen zu einer als Parkplatz vorgesehenen freien Fläche. Dort standen mehrere Autos, die sämtlich der Luxusklasse angehörten.
An der Haustür erwartete sie eine junge Frau in einem schwarzen Atlaskleid mit weißem Kragen, weißen Manschetten und einer weißen Spitzenschürze. Auf dem Kopf trug sie ein weißes Häubchen. Sie musterte sie neugierig und bat sie herein.
In der Diele kam ihnen Alvise Innocenti entgegen. Er hatte sich nicht rasiert und sah müde aus. Im Übrigen war er so dick, wie der Maresciallo dünn war. Er trug einen weißen Leinenanzug, und sein Blick drückte eine Mischung aus Verdruss und Misstrauen aus. Ganz offensichtlich betrachtete er sie als Eindringlinge, als unerwünschten Besuch. Widerwillig gab er ihnen die Hand und fragte brüsk: »Wie kommt es, dass Sie sich erneut hierher bemühen? Was gibt es noch, Maresciallo? Ich habe nicht viel Zeit.« Er fixierte sie mit seinem Röntgenblick.
»Wir müssen Ihnen noch ein paar Fragen stellen. Mir ist klar, dass Sie sehr beschäftigt sind und wir möglicherweise ungelegen kommen, aber je mehr Zeit verstreicht, desto schwieriger wird es, dem Mörder Ihrer Tochter ein Gesicht zu geben. Es dauert nur ein paar Minuten«, erwiderte Gori.
»Mehr kriegen Sie auch nicht. Folgen Sie mir!«, sagte Innocenti keine Spur freundlicher und ging ihnen voraus.
Sie kamen durch lange Flure, die sich an mehreren Stellen mit anderen kreuzten – ein regelrechtes Labyrinth. Überall alte Bilder, kostbares Porzellan, Marmor- und Bronzestatuen und schwere Samtdraperien. Die beiden Carabinieri sahen sich vielsagend an. Das war für sie eine Welt wie aus einem Film.
Sie betraten ein geräumiges Zimmer mit einer Kassettendecke aus Holz, hohen Bücherregalen an den Wänden und einem großen, alten Schreibtisch. In der Ecke eine Sitzgruppe aus dunkelbraunem Leder. Dank der hohen, breiten Terrassentüren, die vom Boden fast bis zur Decke reichten, war der Raum lichtdurchflutet, und man konnte den Blick über die klare blaue Fläche des Himmels bis zu der lieblichen Landschaft im Hintergrund schweifen lassen, in der auf grünen Hügeln hier und dort verstreut andere herrschaftliche Villen standen. Im Vordergrund bewässerten rotierende Rasensprenger unter dem wachsamen Blick eines Gärtners den Rasen.
Alvise Innocenti ließ sich in dem wuchtigen Sessel hinter dem Schreibtisch nieder, den er mit seinen sicher gut hundert Kilo voll ausfüllte. Er bedeutete den beiden Carabinieri, auf den Stühlen davor Platz zu nehmen. Vor ihren Augen, direkt über dem Kopf des Hausherrn, hingen zwei gekreuzte antike Schwerter. Der Rest der Wand wurde von einem mehrfarbigen Gobelin bedeckt, auf dem eine Jagdszene dargestellt war. All das zusammen verlieh dem Raum eine ausgesprochen vornehme Eleganz.
»Falls Sie zu mir gekommen sind, um etwas Neues zu erfahren, haben Sie die Fahrt umsonst gemacht. Ich hatte sie seit fast zwei Monaten nicht gesehen. Sie war das letzte Malam dreißigsten April hier, dem Geburtstag meiner Frau. Ein flüchtiger Besuch, wie gewöhnlich«, polterte Innocenti los, wobei seine fette Hand mit einer Zigarettenpackung spielte.
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