Schwarze Schafe in Venedig
verschlug, und dann fiel mir ein, dass mein Italienisch ohnehin nicht für irgendwelche geistreichen Bemerkungen gereicht hätte. Ich wusste nicht so recht, was tun, weshalb es sehr nett von ihm war, dass er mir zuvorkam. Mit einem nasalen Grunzen holte er unvermittelt mit dem Fuß aus und beförderte die jaulende Katze mit einem gezielten Tritt quer durch die Gasse, dann zog er seine Hutkrempe herunter, drehte sich auf dem Absatz um und hinkte linkisch in Richtung Rialto davon.
Jeden anderen Dieb hätte diese Begegnung womöglich verunsichert, aber mal ehrlich, es brauchte schon etwas mehr als einen seltsamen, übergewichtigen Kauz mit einer ausgeprägten Abneigung gegen Felidae, um mich aus dem Konzept zu bringen. Der Katze schien es nicht anders zu gehen, denn sie lief ihrem lichtscheuen Kumpan hinterher und ließ mich einfach stehen, einsam wie zuvor.
Als jemand, der stets eine sich bietende Gelegenheit mit beiden Händen beim Schopfe packt, ging ich zurück zu dem Laden, griff in meine Jackentasche, holte das Brillenetui mit der Minitaschenlampe und den Haken heraus, zog die Fäustlinge aus und setzte meine Hände tapfer der beißenden Kälte aus. Sie waren mit medizinischem Klebeband verbunden, damit ich keine Fingerabdrücke hinterließ, aber meine Fingergelenke hatten die unschöne Neigung, sich recht unverhofft zu verkrampfen, und derartige Verzögerungen konnte ich mir eigentlich nicht leisten. Geschwindigkeit war das A und O, also hockte ich mich hin und nahm das erste Vorhängeschloss in Angriff.
Und obwohl Eigenlob ja bekanntlich stinkt, muss ich doch sagen, ich war wirklich angetan, wie die ganze Sache sich anließ. Ja, zu meinen besten Zeiten wäre ich womöglich etwas flinker und meine Vorgehensweise eventuell einen Hauch eleganter gewesen, aber es gab keinen Zweifel, ich hatte es immer noch drauf. Und ich muss zugeben, als ich dann eine Sprühdose Schmiermittel herausholte und in den Mechanismus des Rollladens sprühte, danach das schwere Gitter mit aller Kraft hochschob und darunter durchschlüpfte, da überkam mich ein wohliges Zufriedenheitsgefühl.
Vorsichtig ließ ich das Gitter wieder herunter, schirmte die Augen mit den Händen ab und drückte das Gesicht gegen die dunkle Scheibe, bis ich mich vergewissert hatte, dass keinerlei Infrarotsensoren zu sehen waren. Dann ging ich auf die Knie und machte dem Stiftzylinderschloss, das mittig in der Tür saß, ein herzensgutes Angebot, das es einfach nicht ausschlagen konnte. Zuerst tat es ein bisschen spröde, aber nach einigem Stochern und Kitzeln ging es schließlich auf meine Annäherungsversuche ein. Der Riegel zu meinen Füßen dagegen schaltete auf stur, und ich war schon drauf und dran, einfach eine Scheibe einzuschlagen. Für diese Vorgehensweise hatte ich mich eigentlich noch nie erwärmen können – es besteht immer die Gefahr von Schnittverletzungen, und es macht einen Heidenlärm –, sie schien mir für einen anständigen Dieb immer der letzte Ausweg zu sein. Schlussendlich brauchte es auch hier nicht mehr als ein bisschen Gefummel und ein wenig angestrengtes Keuchen, und kaum hatte ich das Ding zurückgezogen, schwang die Tür auch schon in den Angeln nach innen.
Zu meinem eigenen Erstaunen zögerte ich einzutreten. Ja, ich hatte gerade bereits etliche Schlösser geknackt, aber sobald ich den Laden betrat, wäre das endgültig ein Rückfall in alte Zeiten. Ich mochte mich zwar mit dem Gedanken trösten, dass ich bloß mein gestohlenes Eigentum zurückholen wollte, nicht irgendjemand anderen bestehlen, aber sollte man mich dabei erwischen, bezweifelte ich doch arg, dass der Ladenbesitzer oder, wichtiger noch, die italienische Polizei meiner Auslegung der Ereignisse folgen würden.
Meinen gegenteiligen Beteuerungen Victoria gegenüber zum Trotz, traute ich dem Ladeninhaber nicht über den Weg. Jeder, der sich auch nur ein klein wenig mit Büchern auskannte, hätte auf Anhieb gewusst, was eine Erstausgabe des Malteser Falken wert wäre. Hätte er ein solches Buch in seinem Bestand gehabt, dann hätte er das gewusst, ohne erst in seinen Unterlagen nachschauen zu müssen. Was mich vermuten ließ, die Nummer mit dem Register könnte ein Ablenkungsmanöver gewesen sein, um ein bisschen Zeit zu schinden und herauszufinden, wie ich gerade auf ihn gekommen war und was ich von ihm wollte. Was für mich wiederum den Verdacht nahelegte, dass er wusste, wo mein Buch war.
Ich marschierte schnurstracks zum Safe. Ich gebe zu, es bestand
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