Schwarze Schafe in Venedig
Hotel – die einzige Kopie. Darauf sei zu sehen, wie ich in ihr Zimmer einbreche.«
Hm. Klang, als hätte der liebe Remi weitaus mehr herausgefunden als Alfred. Und als habe er die so gewonnenen Informationen dann zu seinem eigenen Vorteil missbraucht.
»Also ist er hergekommen, um dich zu befragen?«, wollte ich wissen.
Sie zögerte. »Zunächst ja.«
»Aber ich nehme an, damit war es schnell vorbei. Wahrscheinlich, als du ihm von dem Turnier in Venedig erzählt hast, oder?«
Sie nickte ausweichend. »Ich arbeite seit Jahren im Casino.«
»Sehr vorteilhaft für Borelli, nehme ich an.«
»Ich habe ihm geholfen«, gab sie zu und verzog das Gesicht.
»Zu gewinnen?«
»Natürlich zu gewinnen.« Sie fuchtelte mit einer Hand herum. »Aber das war bei diesem Turnier nicht so einfach. Es waren einige gute Spieler dabei. Einer ganz besonders. Ein Engländer. Er hat heute Abend am Finaltisch gesessen.«
Ach ja, an den Burschen erinnerte ich mich nur zu gut.
»Sollte Borelli nicht gewinnen«, fuhr sie fort, »sollte ich die Koffer vertauschen.«
»Genau wie in Monte Carlo.«
» Si . Aber als Remi mir dann von der Bombe erzählte ...«
Diesen Informationsschnipsel ließ sie in der Luft hängen. Meine Zigarette war heruntergebrannt. Ich drückte sie an einem Stuhlbein aus, und der Rauch kräuselte sich um meine Finger.
»Nur, damit ich das richtig verstehe«, sagte ich. »Du hast es dir anders überlegt, als Remi dir von dem Sprengstoff erzählt hat?«
Sie nickte. »Da habe ich Borelli den Koffer geklaut.«
»Aus seinem Tresorraum, genau gesagt. Woher kanntest du eigentlich die Kombination?«
Sie stockte, und am Flackern ihrer Pupillen war zu sehen, dass sie mit sich kämpfte, ob sie weiterreden sollte oder nicht. Für mich machte das eigentlich keinen Unterschied mehr, aber ich wollte es trotzdem wissen. Sie hatte mich in diesen Schlamassel hineingezogen. Menschen waren deswegen gestorben. Ich fand, ich hatte das Anrecht auf eine Erklärung.
»Die Zahlenkombination«, hakte ich nach. »Woher kanntest du die?«
Sie schluckte. »Weil ich die auch gebraucht habe.«
»Du hast sie gebraucht?«
»Ich bin wie du. Ich bin auch eine Einbrecherin, okay?«
Um ehrlich zu sein, war sie um Klassen besser als ich, aber das würde ich ihr ganz sicher nicht auf die Nase binden. Ich wartete darauf, dass sie fortfuhr.
»Wie ich schon sagte, Borelli hat einige Sammlungen. Er hatte von mir gehört.«
»Von deinem besonderen Talent?«
Sie nickte. »Er hat mit meinem Onkel gesprochen. Ihm gesagt, was genau er wollte.«
»Und was genau wollte er?«
»Er hatte viele Frauen.«
»Moment mal – heißt das, er wollte was von dir?«
Sie stierte mich finster an, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank. »Die Frauen waren reich. Und ihre Ehemänner auch. Sie besaßen hübsche Dinge – Schmuck, Gemälde, Geld. Wenn er was Schönes sah, hat er es mir gesagt. Und die Sachen, die ich gestohlen habe, wanderten in seinen Tresorraum. Das meiste wollte er verkaufen. Er brauchte das Geld. Ein Palazzo in Venedig ist nicht billig, capito? Die Instandhaltungskosten. Renovierung. Und die Heizkosten erst! Darum hat er auch bloß einen Stock bewohnt.«
Erstaunt zog ich die Augenbrauen hoch. Damit hatte ich nicht gerechnet. Den Schätzen im Tresorraum nach zu urteilen, hatte sie sehr eng mit dem Grafen zusammengearbeitet, und das wesentlich länger, als ich gedacht hätte. Aber was sie da erzählte, klang durchaus glaubwürdig. Und es erklärte auch ihre Reaktion, als ich ihr berichtet hatte, dass die Bombe die gräfliche Schatzkammer samt Inhalt zerstört hatte.
»Hat er dich dafür bezahlt?«, fragte ich.
Sie schüttelte den Kopf.
»Was denn dann?«
»Mein Onkel.« Sie schaute nach unten, als sähe sie durch den Fußboden, und ihr Lächeln wirkte gebrochen und traurig. »Das Haus gehörte Borelli. Der Laden meines Onkels ist schon seit vielen, vielen Jahren hier. Schon, als er noch ein kleiner Junge war. Sein Vater hat ihn aufgebaut. Aber es war nicht leicht.« Mit feuchten verquollenen Augen schaute Graziella auf. »Borelli hat gedroht, die Miete zu vervielfachen, wenn ich nicht tue, was er von mir verlangte.«
»Die Einbrüche?«
Sie zog den Kopf zwischen die Schultern. »Ich habe für mich selbst gearbeitet, und für ihn.«
»Und das Casino?«
»Da habe ich schon gearbeitet, ehe ich ihn kennenlernte. Als eine Art Tarnung, verstehst du? Wie deine Schriftstellerei. Aber als Borelli es rausgefunden hat ...«
»Da warst du
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