Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Ewan
Vom Netzwerk:
und einem neuen Luxusleben, gesponsert mit einer halben Million in bunt bedruckten Scheinen. Und so schlagartig, wie mir Remis Schicksal plötzlich vor Augen stand, so wenig Zweifel hegte ich nun auch bezüglich der Frage, was wohl aus meiner Wenigkeit werden sollte. Vielleicht könnte sie unsere Leichen und die Pistole ja sogar so drapieren, dass es aussah, als seien wir für den Mord an ihrem Onkel verantwortlich. Womöglich würde die Polizei die Leichenfunde als Resultat einer kleinen Meinungsverschiedenheit bezüglich des Sprengstoffs in der unteren Etage auslegen. Die Möglichkeiten schienen schier unendlich. Und nur allzu real.
    Noch während mir all diese Gedanken durch den Kopf schossen, sah ich, wie sie nach dem Geschirrtuch neben der Spüle griff und anfing, die Pistole sorgfältig abzuwischen und jeden noch so schwachen Fingerabdruck unwiederbringlich zu verreiben. Vielleicht, um sie nachher einem Toten in die kalte, klamme Hand zu drücken. Oder sie wollte es so arrangieren, dass es aussah, als hätte ich geschossen. Schließlich trug ich immer noch Handschuhe.
    Ungeschickt griff ich nach meiner Zigarettenschachtel und fummelte am Deckel herum. Meine Hände zitterten noch schlimmer als vorhin, was das Anzünden zu einem reinen Glücksspiel machte. Verzweifelt sog ich den Rauch ein. Aber auch das nützte nichts.
    Ob sie mich erschießen würde, ehe Remi zurückkam?, fragte ich mich. Oder ob sie warten würde, bis er wieder da war? Wenn sie wartete, könnte sie ihn überrumpeln. Das konnte ich mir nur zu gut vorstellen. Eiskalt und berechnend; kein Platz für Fehler.
    Es mag seltsam klingen, aber ich habe mich nie wirklich als Kriminellen betrachtet. Ja, es ist zwar leidlich bekannt, dass ich gelegentlich mal gegen diverse Gesetze verstoße, und zugegeben, ich habe auch schon das eine oder andere mitgehen lassen, aber dabei habe ich mich immer an bestimmte Regeln gehalten, die mir sehr wichtig sind. Himmel, ja, ich gebe zu, ich bin ein bisschen stolz auf meine Arbeit. Ich falle nicht plündernd in ein trautes Heim ein. Ich stehle keine Erinnerungsstücke. Wenn irgend möglich, arbeite ich nur, wenn Haus oder Wohnung leer sind, weil ich es nicht gerade lustig finde, Menschen zu Tode zu erschrecken. Was man wohl als klares Indiz nehmen könnte für das Vorhandensein von etwas, das man gemeinhin als Gewissen bezeichnet. Mein Sinn für Recht und Unrecht mag zwar etwas verquer sein, aber was Kapitalverbrechen angeht – wie, sagen wir, Mord –, ziehe ich genau dort die Grenze. Und bisher hatte ich angenommen, anscheinend äußerst naiv, andere Diebe sähen das genauso wie ich. Nicht der dahergelaufene Grobian mit dem Brecheisen; aber gebildete Typen, die sich an einen gewissen Ehrenkodex hielten, die die Sache sportlich sahen und sich kaum mal etwas zuschulden kommen ließen, das für mich außerhalb des Akzeptablen lag.
    Doch nun musste ich mich fragen, wie gründlich ich mich wohl in Graziella geirrt hatte. Sie schien meine Denkweise nicht mal ansatzweise zu teilen. Vermutlich hatte sie einen wesentlich dehnbareren Moralbegriff als ich, den sie den Gegebenheiten entsprechend hierhin oder dorthin verbiegen konnte – solange es nur zu ihrem Vorteil gereichte. War es mit Borelli nicht genauso gewesen? Und mit Remi? Wie ein dunkler Schatten meiner selbst schien sie mir; wie eine Mahnung, was aus mir hätte werden können, hätte ich zugelassen, dass ich so tief sank. Wobei diese Erkenntnis alles andere als tröstlich war.
    Meine Zunge war trocken und klebte am Zigarettenfilter. Als ich den Mund aufmachte, um etwas zu sagen, fühlte es sich an, als hätte ich Schotter in der Kehle.
    »Rein interessehalber, was ist eigentlich aus meinem Buch geworden?«, fragte ich ausatmend. »Das du mir gestohlen hast? Ich habe im ganzen Haus danach gesucht, aber es nicht gefunden. Ist es hier in der Küche? Das ist nämlich der einzige Raum, den ich noch nicht durchsucht habe.«
    Vorsichtig betastete ich meinen blutenden Schädel. Schwer zu sagen, ob mehr Blut da war als vorhin. Ich wartete auf eine Antwort. Die ließ nicht lange auf sich warten.
    »Das Buch habe ich zu den anderen Sachen gelegt, die ich gestohlen habe.«
    Verdammter Mist.
    »Bitte sag mir, du meinst nicht Borellis Tresorraum«, stöhnte ich.
    Sie zuckte bloß die Achseln und wickelte derweil ein Geschirrtuch um den Pistolengriff.
    »Aber ich habe doch danach gesucht«, sagte ich zu ihr. »Bevor die Bombe explodiert ist. Ich habe es nicht gesehen.«
    Sie hielt

Weitere Kostenlose Bücher