Schwarze Schafe in Venedig
nach hinten losgegangen, und ich konnte nicht so tun, als sei ich nicht zumindest an einigem, was danach passiert war, mitschuldig.
»Ich bin kein Auftragskiller«, sagte ich zu Graziella und wischte mir die Hand an der Hose ab. »Im Gegensatz zu Remi.«
Das schien sie zu belustigen. Ein halbherziges Lächeln zupfte an dem einen Mundwinkel. Ich wartete ab, ob noch mehr kam, aber sie dachte gar nicht daran, mir eine Erklärung zu geben.
» Okay« , sagte ich und spielte mit der Asche an der Zigarettenspitze herum. »Dann weiß ich eben nicht so viel, wie ich gerne wüsste. Aber ich kann’s ja trotzdem mal versuchen. Ich lehne mich einfach ganz weit aus dem Fenster und wage zu behaupten, dass Remi aus Monte Carlo stammt.«
Also gut, es war bloß eine ins Blaue abgefeuerte Vermutung, aber sie kam nicht von ungefähr. Schließlich sah alles danach aus, als habe Graziella sich mit ihm gegen den Grafen verbündet. Gemeinsam hatten sie das Casino um jenes Geld erleichtert, das jetzt in dem Koffer zu ihren Füßen steckte. Im Grunde genommen genau dieselbe Nummer, die sie gemeinsam mit dem Grafen gegen Alfreds Freunde abgezogen hatte. Nur, dass diesmal ein anderer abgezockt worden war.
Graziellas Kopf flog herum. Ihre Pupillen verengten sich. Offensichtlich hatte ich ihre Aufmerksamkeit geweckt. Jetzt brauchte ich die Puzzleteilchen bloß noch richtig zusammenzusetzen. Hmm. Wäre Victoria jetzt bloß da.
»Ich weiß alles über Monte Carlo«, sagte ich zu ihr. »Über die Bombe. Das englische Ehepaar, das ihr umgebracht habt.«
Sie biss sich auf die Lippen. Schwer zu sagen, was das bedeutete oder was ich als Nächstes sagen sollte.
»Ich habe Fotos. Beweise. Von dir und Borelli.« Ich gestikulierte mit meiner Zigarette. »Du hast die Bombe platziert. Du hast die Bombe scharf gemacht.«
Sie hörte auf, auf ihrer Lippe herumzukauen, und ließ sie los. Sie wirkte leblos und blutleer. »Ich wusste nichts davon«, murmelte sie mit kratziger Stimme.
» Ach bitte. Dein Onkel hat das Ding gebaut. Ich habe doch das Zubehör unten gesehen.«
»Inzwischen weiß ich das auch«, sagte sie. »Damals wusste ich es noch nicht.«
»Und du erwartest allen Ernsts, dass ich dir das abnehme?«
Nachdenklich verzog sie die Lippen und streckte die Hand aus und fuhr dann mit den Fingern ganz beiläufig an der Pistole entlang. Dann schnaubte sie plötzlich, packte ohne Vorwarnung die Pistole und ging zur Spüle, wo sie ihre Zigarette in einer Wasserpfütze ausdrückte, die sich da gesammelt hatte, wo sonst das Geschirr zum Trocknen stand.
»Ich hatte keine Ahnung von der Bombe.« Ihr Gesicht wirkte angespannt. Ihre Haut war wächsern, glänzend und durchscheinend. »Ich sollte bloß das Geld an mich nehmen. Den Geldkoffer gegen den anderen Koffer austauschen. Mehr nicht.«
»Du kannst dir sicher denken, dass es mir schwerfällt, das zu glauben. Du wolltest, dass ich den Grafen für dich umbringe. Du hast mich mit einer Bombe zu ihm nach Hause geschickt.«
Sie schüttelte den Kopf. Lächelte traurig. »Du hast sie bloß zurückgebracht.«
»Würdest du mir auch verraten, warum?«
Würde sie. So resigniert, wie sie die Schultern hängen ließ, wollte sie mir ihr ganzes Herz ausschütten. Schwer, die Beweggründe dafür zu verstehen. Womöglich wollte sie ihr Gewissen erleichtern. Oder die Wahrscheinlichkeit, dass Remi mich nach seiner Rückkehr umbrachte, war so hoch, dass es ohnehin keinen Unterschied machte.
»Von dem englischen Ehepaar habe ich erst letzte Woche erfahren«, sagte sie. »Wie sie gestorben sind.«
»Aber das ist doch schon über einen Monat her.«
»Ich wusste nichts davon. Warum auch? Ich wusste ja nicht, dass ich ihnen eine Bombe untergeschoben hatte.«
»Und wie hast du es herausgefunden?«
»Remi.« Sie sprach in einem schwachen Flüsterton, als fürchtete sie, ihn aus der Unterwelt heraufzubeschwören, wenn sie seinen Namen laut aussprach. »Er ist nach Venedig gekommen. Hat mich ausfindig gemacht. Er hatte Fotos dabei, aus dem Hotel. Wie du gesagt hast.«
»Und wie passt er ins Bild?« Sie schien verwirrt. »Was hat er damit zu tun?«
»Er hat in dem Hotel gearbeitet. In Monte Carlo.«
»Tatsächlich? Als was?«
»Er war beim Sicherheitsdienst.« Sie schlang die Arme um ihren Körper und verschränkte sie vor der Brust, wobei sie die Pistole unter einer Achselhöhle vergrub. »Er hat mir von dem Auto erzählt. Der Explosion. Er sagte, er habe eine Aufzeichnung von einer Überwachungskamera aus dem
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