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Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Ewan
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den behandschuhten Fingern meiner linken Hand zu, feuerte zwei Schüsse in die Futonkissen, und die gleißend hellen Blitze aus dem Lauf leuchteten alles messerscharf aus, während eine dicke Federwolke zur Decke stiebte. Dann riss ich ihr die Waffe wieder aus der Hand und wickelte sie in das Geschirrtuch, wobei ich die Hitze durch den Stoff hindurch spürte, während Graziella neben mir kraftlos in sich zusammensackte.
    Unter anderen Umständen hätte ich mich vielleicht neben sie gekniet und ihr beruhigend über das Haar gestrichen. Ich hätte ihr gesagt, dass sie keine Angst zu haben brauchte, und ihr aufmunternd und tröstend zugeredet. Aber jetzt nicht. Hastig schnappte ich mir den Aktenkoffer, der unter dem Küchentisch stand, und verschwand ohne einen einzigen Blick zurück, während das feuchte Gurgeln ihrer angestrengten Atemzüge mich bis zum Ende des Flurs verfolgte.

Neununddreißig
     
    Den Weg zurück ins Dorsoduro kannte ich inzwischen auswendig, und im Handumdrehen war ich auch schon über die Accademia-Brücke. Das Fondamenta Venier lag in dämmriger, vormorgendlicher Stille da. Die Bürgersteige waren leer, das Wasser des Kanals hatte einen harten grünen Überzug, der aussah wie Emaille, und die Ecke der Stadt, die ich mein Zuhause nannte, hatte sich in Schweigen und hauchdünne Nebelschleier gehüllt. Eigentlich hatte ich nicht noch mal zurückgehen wollen. Ich wusste um das Risiko. Aber ich wusste auch, dass das womöglich meine letzte Chance war.
    Borelli war tot, und ganz gleich, ob man seine Leiche fand oder er verschollen blieb, ich musste einfach einer der Hauptverdächtigen sein. Möglicherweise war die Polizei noch in meiner Wohnung und suchte nach Hinweisen, die mich mit der Entführung in Verbindung brachten. Vielleicht wurde das Haus auch überwacht. Schlimmer noch, hier würden Graziella und Remi als Allererstes nach mir suchen. Ich wusste, dass Graziella sich ohne weiteres und ohne Aufsehen zu erregen Zutritt verschaffen konnte, weshalb ich nichts zurücklassen wollte, das sie auf meine Spur führen könnte.
    Es tröstete mich auch nicht gerade, dass ich das Schloss meiner Haustüre nicht zu knacken brauchte. Der Schlüssel funktionierte einwandfrei, und trotzdem kam ich mir in diesem Moment vor wie ein Dieb in der Nacht. Misstrauisch schaute ich mich um, als ich die Tür aufschob, konnte aber nichts Verdächtiges entdecken. Vielleicht wäre es mir nicht ganz so verboten vorgekommen, hätte ich jemanden gesehen. Vielleicht aber auch nicht.
    Das Licht im Flur konnte ich unmöglich anknipsen, aber schließlich kannte ich mich hier gut genug aus, um meine Wohnungstür auch ohne Zuhilfenahme der Taschenlampe zu finden. Es wunderte mich etwas, dass die Tür abgeschlossen war, aber ich hatte keinen Grund zur Klage; vor allem nicht, nachdem ich hineingegangen war und Reisetasche und Koffer noch im Flur stehen sah, genau dort, wo ich sie abgestellt hatte.
    Die Reisetasche schleppte ich in Victorias Zimmer und leerte sie auf dem Bett aus. Dann machte ich mich daran, ihre Sachen einzupacken. Die meisten meiner Habseligkeiten konnte ich problemlos ersetzen, aber da ich nicht wusste, was für Victoria wichtig war und was nicht, gab ich mir große Mühe, alles mitzunehmen, um dann ganz zum Schluss die eingewickelte Pistole dazuzulegen. Die Waffe war meine Lebensversicherung. Sollte Borellis Leichnam gefunden werden, ehe ich über alle Berge war, dann könnte es sich als sehr nützlich erweisen, die Mordwaffe mit Graziellas Fingerabdrücken zu haben.
    Selbst brauchte ich eigentlich bloß frische Kleider zum Wechseln, meine Pässe (den echten und die gestohlenen), mein Einbrecherwerkzeug sowie Laptop und Notizen. Nach einem letzten Rundgang durch die Wohnung warf ich mir die Tasche über die Schulter, nahm den Aktenkoffer in die eine Hand und meinen Reisekoffer in die andere und ging zur Tür.
    Ich war gerade am Fuß der Treppe angekommen und der Freiheit ganz nahe, als das Schloss aufschnappte und die Haustür sich schwungvoll ins Treppenhaus öffnete. Mich zu verstecken war sinnlos, und so bepackt, wie ich war, konnte ich mich auch schlecht an den Ankömmlingen vorbei nach draußen drängeln. Also stand ich einfach nur da, beladen wie ein Packesel, in meinem schweren Wintermantel und Borellis schmutzigem, schlecht sitzendem Smoking, und musste hilflos mit ansehen, wie Martin in den Flur trat und die Deckenbeleuchtung anschaltete.
    Er zuckte kaum mit der Wimper, als er mich sah, und stand nur da

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