Schwarze Schafe in Venedig
den Taschenlampenstrahl auf den Boden. Der schien mit einem triefend nassen Schwamm statt Teppichboden ausgelegt zu sein – Wasser quoll hervor und blubberte um meine Schuhe. Rechts von mir stapelten sich durchweichte Kartons, die mit Plastikfolie abgedeckt waren. Sie war gesprenkelt von den herabtropfenden Wasserspritzern.
Einem lauten Knall hinter mir folgte das Knacken zerberstenden, splitternden Holzes und aufgeregtes Stimmengewirr. Der dunkle, glitschige Flur erschien verlockend, also patschte ich hastig los, und meine Schuhe saugten schmatzend an der Nässe, während meine Taschenlampe schwindelerregend hin und her schwankte.
Dann stieß ich auf eine weitere Wand. Der Korridor schwenkte nach links, und ich schwenkte mit und stampfte über den durchnässten Teppich, aus dem die mysteriöse schwarze Flüssigkeit quoll, die erst meine Stoffturnschuhe und dann die Socken tränkte. Fast war es, als litte das Haus unter einer örtlich begrenzten Form des acqua alta – jenes alljährlich wiederkehrenden Hochwassers, das in regelmäßigen Abständen die ganze Stadt überflutet.
»Wo sind Sie?«, keuchte die Stimme am Telefon. Rührend. Fast schien es, als sorgte sie sich um mein Wohlergehen.
»Vor mir ist eine Tür«, zischte ich. »Ist die sicher?«
» Si. Das habe ich Ihnen doch gesagt.«
»Entschuldigen Sie bitte, wenn ich lieber noch mal nachfrage.«
»Aber Sie haben doch gar keine andere Wahl, Charlie. Die polizia ist längst drin.«
Ich hielt es für ratsam, einfach zu ignorieren, dass sie mich gerade beim Namen genannt hatte. »Wenn Sie mich reinlegen wollen«, flüsterte ich, »dann werde ich Sie finden. Damit kommen Sie mir nicht davon.«
»Tun Sie, was ich Ihnen sage, dann finden Sie mich garantiert. Gehen Sie durch die Tür. Laufen Sie schnell nach San Polo. Seien Sie vor zwei Uhr da, sonst vernichte ich Ihr Buch. Ich vernichte es. Verstanden?«
Ich hatte gar nichts verstanden, nicht mal ansatzweise, aber die Telefonverbindung wurde unterbrochen, ehe ich ihr das sagen konnte. Leise fluchend streckte ich vorsichtig die Hand aus und gab der Tür einen Schubs. Sie rührte sich nicht. Ich stemmte mich mit der Schulter dagegen. Sie klemmte, gab dann aber schließlich etwas nach. Abermals warf ich mich mit meinem ganzen Gewicht dagegen, und sie flog mit einem Knall gegen die Außenwand des Hauses. Wo, wie ich fürchtete, womöglich schon ein weiterer Polizist auf mich wartete, aber es war niemand da – die schmuddelige, trostlose Gasse war menschenleer –, also schüttelte ich mir das Wasser aus den Schuhen und sprintete unter schmatzenden Sauggeräuschen auf Socken los.
Sechs
Als ich schließlich zu der angegebenen Adresse kam, kribbelten mir die Füße vor Kälte und Nässe, und ich wünschte mir nichts sehnlicher, als Schuhe und Socken auszuziehen und mir die Zehen ein paar Tage lang warm zu rubbeln. Wobei ich mich auch schon mit trockenem Schuhwerk zum Wechseln zufriedengegeben hätte. Leider war aber für keins von beidem Zeit oder Gelegenheit, weshalb meine armen Füße sich in ihr Schicksal fügen mussten, ähnlich klamm und eisig zu bleiben wie meine Laune.
Frierend stopfte ich den Stadtplan in die Manteltasche und vergrub die behandschuhten Fäuste in den Achselhöhlen, um dann zitternd von einem Bein aufs andere zu hüpfen. Ich drückte mich in einer gebogenen und mit Graffiti vollgeschmierten Gasse hinter einem gedrungenen Hydranten herum. Die ganze Nachbarschaft ringsum war dunkel und totenstill. Sämtliche Fenster waren verrammelt und unbeleuchtet. Die Stille war so tief und undurchdringlich, dass man hätte denken können, plötzlich taub geworden zu sein, und hätte mir in diesem Moment jemand erzählt, die ganze Stadt sei evakuiert worden, ich hätte es wohl geglaubt.
Das heruntergekommene Haus, das für mich von besonderem Interesse war, wirkte nicht mal ansatzweise verdächtig, und doch schien es sich drohend über mir aufzubauen und geradezu »Gefahr« zu schreien. Die Fassade wölbte sich in der Mitte nach außen und war dort mit Hilfe einer Metallklammer notdürftig zusammengeflickt worden, und verschnörkelte Metallschmiedearbeiten zierten den geschwungenen Bogen oberhalb der Tür, fast wie bei einem Gefängnis, das sich für was Besseres hielt. Die Tür selbst war abgeschliffen worden und wartete noch auf einen frischen Anstrich. Das bloße Holz war vernarbt und knorrig, und ein verwitterter Löwenkopf-Türklopfer stierte jeden höhnisch an, der es wagte, sich ihm zu
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