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Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Ewan
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aber das glaubte ich nicht. Den Schraubenzieher gezückt auf Ohrhöhe haltend schlich ich vorsichtig näher heran, dann teilte ich die Gardinen und trat auf den schmalen steinernen Balkon mit dem Eisengeländer.
    Vom Balkon schaute man hinunter auf einen stehenden Kanal und eine kleine bucklige Brücke zur Rechten jenseits eines Fadenspiels aus Plastikwäscheleinen. Auf der anderen Seite des Kanals, eine Etage über mir im Haus gegenüber, war noch ein Balkon. Und darauf stand, den Blick auf die Armbanduhr gerichtet und dann erleichtert aufseufzend, die gelenkige Blondine, die mich erst kürzlich ausgeraubt hatte.

Sieben
     
    Bloß war sie nicht mehr blond. Die wallende platinblonde Mähne war verschwunden, stattdessen trug sie einen strengen schwarzen Bob. Mit der Frisur wirkte sie kühler, kantiger. Immer noch umwerfend schön, ganz zweifellos, und ohne Frage dieselbe Frau, aber doch ganz anders. Ihre Gesichtszüge wirkten härter, vor allem die Wangenknochen traten stärker hervor, was aber wohl auch an der Kälte liegen konnte.
    Ihr Balkon war wesentlich prächtiger als der, auf dem ich stand; geschmückt mit aus Stein gemeißelten Köpfen, die griechischen Gottheiten ähnelten. Sie lehnte mit den Ellbogen auf einem ausgeblichenen Steinsockel, das Kinn auf die geballten Fäuste gestützt, und die schwarzen Haare streiften ihre Fingerknöchel.
    » Ciao , Charlie. Sie sind schon wieder spät dran«, meinte sie mit einem verschmitzten Augenzwinkern.
    Ich gab keine Antwort. Ich war damit beschäftigt, die Balkontüren hinter mir zu schließen, damit sich keiner von hinten anschleichen konnte. Gut möglich, dass sie mich in dem Glauben wiegen wollte, sie arbeite allein, aber ich wollte kein Risiko eingehen.
    Vorsichtig beugte ich mich über die Balkonbrüstung und schaute nach, wie tief es nach unten ging. Es waren ungefähr fünf Meter bis zu dem tintenschwarzen Wasser, und es gab weder Gehweg noch Steg, auf dem ein muskelbepackter Komplize lauern könnte – das zähflüssige Gebräu plätscherte bis an die Häuserwände.
    Noch einmal schaute ich mir das Gebäude an, in das meine nächtliche Besucherin für unser kleines Stelldichein eingestiegen war. Bei näherer Betrachtung sah ich, dass es kaum mehr als eine Bauruine war. Die scheibenlosen Fenster der oberen Stockwerke waren mit langen Bahnen Plastikfolie verhängt, und eine kleine Seitengasse gleich jenseits der Brücke war mit einem Baugerüst zugestellt. Das Gerüst hatte es ihr sicher leicht gemacht, hochzuklettern und durch eins der ungesicherten Fenster einzusteigen, und irgendwie war ich ein bisschen enttäuscht, als ich das sah. Ein bisschen enttäuscht war ich auch, dass ihre blonden Locken verschwunden waren.
    »Was ist denn mit Ihren Haaren passiert?«, fragte ich.
    Sie hob die Hand an den Kopf, als habe ich ihr ein unerwartetes Kompliment gemacht. »Gestern Abend hatte ich eine Perücke an.«
    »Und heute Abend?«
    Sie senkte den Kopf und linste unter langen, gebogenen Wimpern hervor. »Gefällt’s Ihnen?«
    »Steht Ihnen nicht schlecht.«
    Sie lachte kurz auf und hielt sich die Hand vor den Mund. Dann schüttelte sie den Kopf und stieß stockend einen Atemzug aus. »Spaßig, was?« Spielerisch kaute sie auf der Unterlippe herum und schaukelte vor und zurück, wie ein Kind, das nicht wusste, wohin mit all seiner Energie. Sie hatte ein seltsames Funkeln in den Augen und ein nervöses Zucken um die Mundwinkel – als könnte sie kaum fassen, dass sie tatsächlich ihre kleine private Wette zu gewinnen schien.
    Ich gab mir Mühe, ihr in die Augen zu schauen, aber mein Blick drohte immer wieder nach unten zu wandern. Wesentlich rücksichtsvoller hätte ich es gefunden, sie hätte sackartige Kleidung getragen, vorzugsweise mit einem dicken Mantel drüber, aber nein, sie musste unbedingt einen hautengen schwarzen Rollkragenpulli über einer schwarzen Leggins und kniehohen Lederstiefeln tragen. Auf Hüfthöhe baumelte eine graue Stofftasche an einem Tragegurt, der quer über ihre Brust lief und ihren üppigen Busen teilte.
    »Sie haben eine etwas seltsame Vorstellung von Spaß«, gab ich zurück. »Es ist eiskalt. Wieso kommen Sie nicht rüber zu mir, und wir unterhalten uns gemütlich drinnen weiter? Oder noch besser, wir suchen uns ein nettes beheiztes Plätzchen zum Plaudern.«
    Worauf sie die Stirn runzelte. »Aber hier ist es sicherer. So können Sie mir nicht zu nahekommen, stimmt’s? Die Lücke, die ist zu groß.«
    Womit sie natürlich Recht hatte.

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