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Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Ewan
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zerfledderten Plakaten. Vorbei an zerrissenen Müllsäcken und unter zerlumpter Wäsche hindurch, die auf kreuz und quer gespannten Leinen hing. Immer weiter hinein in das verworrene, verwirrende Labyrinth, bis ich keinen Schimmer mehr hatte, wo wir überhaupt hinliefen.
    »Warte!«, rief ich und blieb abrupt stehen, und Victoria prallte mir von hinten in den Rücken, wobei die Rose mich mit einem trockenen Cellophanrascheln im Nacken kitzelte.
    Wir gingen unter einem niedrigen sotoportego hindurch – eine düstere Unterführung unter der Veranda eines Hauses – und waren auf halbem Wege durch eine langgezogene, unbeleuchtete calle , in der ich meines Wissens noch nie zuvor gewesen war. Der Durchgang zwischen den Häuserwänden war so eng, dass man nicht mal mehr nebeneinanderstehen konnte. Ein Stückchen vor uns endete die Gasse im matten, dunkelgrünen Schimmer langsam fließenden Wassers. Der faulige Gestank nassen Schlamms war überwältigend. Es gab keine Brücke und keine Möglichkeit mehr abzubiegen. Nur die baufälligen Gebäude, die sich über unseren Köpfen bedrohlich einander zuneigten, und die Stille dazwischen.
    In anderen Worten: eine Sackgasse.
    Hmm. Ich schaute den Weg zurück, den wir gekommen waren. Der Eingang zu dem Gässchen war ein ganzes Stück entfernt, unterhalb eines niedrigen Überstands zweier Häuser, welche die angrenzende Straße säumten. Es gab keinerlei Hinweis, dass wir uns hier versteckten. Keinen Grund, dass er uns hier finden sollte.
    Und doch fand er uns. Hinkend tauchte er in dem dämmrigen Durchgang auf, und seine ausladenden Schultern streiften die rußgeschwärzten Backsteinwände links und rechts, bis er sich schließlich mit einem unwilligen Grunzen ein wenig seitlich drehte und so weiterschlurfte. Ich fragte mich schon, ob er womöglich zwischen den windschiefen Häuserwänden stecken bleiben würde, und wenn ja, ob er sich dann nicht mehr rückwärts befreien könnte – wie ein Hai.
    Victoria fluchte und kramte dann in ihrer Handtasche.
    »Was machst du denn da?«, fragte ich.
    »Ich suche das Pfefferspray«, erklärte sie mir. Als ihre Hand wieder zum Vorschein kam, hatte sie die kleine Spraydose zwischen den Fingern, die aussah wie ein Lippenstift und die sie mir in meiner Wohnung bereits stolz vorgeführt hatte. Sie musste das Ding aus ihrem Waffenvorrat genommen und eingepackt haben, als ich gerade nicht hingeschaut hatte.
    »Immer langsam.« Energisch packte ich sie am Handgelenk und nahm ihr das kleine Sprühdöschen aus den widerstrebenden Fingern. Das Allerletzte, was wir jetzt brauchten, war ein tätlicher Angriff auf einen wildfremden harmlosen Passanten.
    Nein, diese Situation schrie nach etwas mehr Fingerspitzengefühl. Etwas, das es diesem Grobian vermieste, sich hier herumzudrücken, aber eine offene Konfrontation vermied. Ich hatte mal gehört, man könne Grizzlybären mit Hilfe einer Hochfrequenzpfeife vertreiben, aber irgendwie bezweifelte ich, dass das in diesem Fall funktionieren würde. Also hob ich Victorias Kinn ein wenig an.
    »Küss mich«, sagte ich zu ihr.
    »Was?«
    »Küss mich«, flüsterte ich.
    »Wie bitte?«
    Wie ausgehungert stürzte ich mich ohne weitere Umschweife auf sie. Ihre Lippen formten noch die Worte und verzogen sich widerwillig unter meinem Mund. Sie wollte leisen Protest krächzen und schickte sich an, vor mir zurückzuweichen, aber ich nutzte die Rückwärtsbewegung, um sie gegen die schmuddelige Wand zu drücken, als habe mich die Leidenschaft übermannt.
    Ihre Lippen waren stocksteif. Also nibbelte ich ein wenig an ihrer Unterlippe herum und riskierte dann einen verstohlenen Blick auf ihr Gesicht. Sie hatte die Augen fest zusammengekniffen und das Gesicht zu einer Grimasse verzogen, als müsse sie es widerwillig über sich ergehen lassen, dass eine verhasste Großtante ihr einen dicken feuchten Schmatzer aufdrückte.
    Schnell hob ich die Hand und verbarg dahinter ihr Gesicht, um mich dann küssend ihrem Ohr zu nähern. Darauf schien sie ein wenig zu frösteln und sich ein ganz kleines bisschen zu entspannen. Als ich mich ihrem Ohrläppchen näherte, war ihre Hand bereits an mein Hinterteil gewandert und hatte fest zugelangt.
    »Gut so«, murmelte ich und umfasste ihre Taille. Sie stöhnte auf und drückte sich gegen mich. »Bieten wir dem Drecksack eine gute Show.«
    Womöglich bildete ich mir das nur ein, aber Victoria schien einen Augenblick zu zögern.
    »Bitte?«, keuchte sie.
    »Wenn er denkt, wir sind hier, weil

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