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Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Ewan
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wir allein sein wollen, dann verschwindet er vielleicht.«
    Ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf ihren Mund. Als ich den Blick hob, sah ich einen seltsamen Ausdruck in ihren Zügen – einen leicht konsternierten Blick mit irgendwas anderem. Was war da noch – Entsetzen? Ekel? Abscheu? Ihre Pupillen glitten zur Seite.
    »Ist er noch da?«, fragte sie.
    »Mhm.«
    »Dann sollten wir wohl noch was drauflegen.«
    Und damit packte ich sie an den Handgelenken, hob ihre Arme über den Kopf und presste ihre Hände gegen die bröckelige Backsteinmauer. Dann ließ ich lüstern den Blick über ihren Körper wandern, als könne ich meine Begierde kaum noch zügeln, und saugte mich an ihrem Mund fest. Diesmal ließ sie die Rose fallen. Sie erwiderte meinen Kuss und kitzelte meine Lippen mit kleinen, schnellen Bewegungen ihrer Zunge. Heftig atmend drückte sie sich gegen mich, schlang die Beine um meine Hüften und stemmte die Füße gegen die Wand in meinem Rücken.
    Urplötzlich löste sie den Mund von meinem und warf den Kopf herum. »Perversling«, schrie sie, und ihre Stimme schien immer lauter und schriller zu werden, während sie durch die schmale Gasse hallte. »Mach doch einfach gleich ein Foto, du Schwein!«
    Ich drehte ebenfalls den Kopf, die Wange an Victorias Gesicht gedrückt. Sein bärtiges Gesicht lag im Halbdunkel der Mauern links und rechts von ihm, und die Krempe seines tief in die Augen gezogenen Fedora tat das ihrige dazu. Seine hochwasserkurze Hose schlackerte komisch über dem weißen Sockenbündchen. Atemwolken stiegen aus seinen aufgequollenen Lippen, und ich sah, wie er die Hände zu Fäusten ballte. Wäre das ein Western, dann hätte er jetzt sicher nach seiner Knarre gegriffen – wobei er wohl nur unter heftigsten Verrenkungen an sein Pistolenhalfter gekommen wäre.
    »Raus hier«, brüllte ich. »Such dir selbst ’ne Frau.«
    In der Stille, die meinen Worten nachhallte, hörte ich hinter uns einen dumpfen Aufprall, gefolgt von sanftem Plätschern. Als ich mich umdrehte, sah ich einen schlanken, schwarzen Bootsrumpf vorübergleiten, gefolgt von zwei mit rotem Samt bezogenen Sitzen nebst schimmernden Messingbeschlägen und einem Strauß Plastiknelken. Ein Gondoliere erschien, mit wasserfester blauer Jacke über dem traditionellen Ringelpullover und einem Strohhut mit blauem Band auf dem Kopf. Er stemmte die Spitze seines Ruders gegen die Häuserwand am Ende des schmalen Durchgangs.
    »Gondola, gondala, gondola?«
    Immer wenn ich diesen monotonen, an ein Mantra gemahnenden Singsang der Aasgeier hörte, die einem überall in der Stadt unter Brückenbögen auflauerten, musste ich mich normalerweise arg zusammenreißen, um nicht die Beherrschung zu verlieren und sie anzuschreien, sie sollten gefälligst verschwinden und mich in Frieden lassen. Aber in diesem Moment war dieses gleichförmige Geleier Musik in meinen Ohren.
    »Komm«, sagte ich, setzte Victoria von meiner Hüfte wieder auf den Boden und schob sie vor mir her.
    »Das ist doch nicht dein Ernst?«
    »Hast du eine bessere Idee?«, fragte ich und hob im Vorbeigehen die Rose auf.
    »Pfefferspray!«
    »Oh nein. Diesmal nicht.«
    Der Gondoliere streckte die Hand aus, und ich griff nach Victorias Ellbogen und hob ihren Arm, sodass ihr nichts anderes übrig blieb, als sich zu fügen und die dargebotene Hand anzunehmen. Mit der Ruderstange stützte der Gondoliere sich an der Mauer ab und lief auf der rückwärtsgleitenden Gondel nach hinten, bis der Doppelsitz auf unserer Höhe war, dann half er Victoria galant beim Einsteigen.
    Währenddessen stand unser abgerissener Freund mit der wild wuchernden Gesichtsbehaarung einfach nur tatenlos da und sah uns zu. Er sagte keinen Ton. Er rührte keinen Finger. Er machte weder Anstalten näher zu kommen noch zu gehen. Er stand einfach bloß da, eine feiste, einsame Gestalt, die eine Rasur und einen guten Schneider bitter nötig gehabt hätte. Und irgendwie fand ich diese Starre beunruhigender als alles andere.
    » Signore?«
    Der Gondoliere winkte mir, an Bord zu kommen. Er packte mich am Handgelenk, als ich mit einem großen Schritt auf das Boot sprang, und wartete dann, bis ich Platz genommen und die Gondel aufgehört hatte zu schaukeln, ehe er sich von der Mauer abstieß und uns in die klebrige Dunkelheit hineinsteuerte.
    »Tja«, meinte ich und reichte Victoria nonchalant die Rose, »du kannst mir zumindest nicht vorwerfen, ich sei nicht spontan.«
    Worauf sie sich ein dünnes Lächeln abrang und den

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