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Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Ewan
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cichèti , die auf der Theke verteilt standen. Auf den kleinen Tellerchen lagen würzige Wurst, Schweinefleischfrikadellchen, Calamares, Krebse und hauchfein aufgeschnittener Schinken, und alles sah so köstlich aus, dass einem das Wasser im Mund zusammenlief.
    Der Wirt hatte einen Bauch wie ein Fass und kaum Haare auf dem Kopf. Auch er schaute gegen seine Kasse gelehnt mit einer Zigarette in der Hand Fußball und hatte die weißen Hemdsärmel aufgekrempelt, unter denen seine haarigen Unterarme zum Vorschein kamen.
    Keiner der Männer bedachte mich mit einem freundlichen » Ciao« oder nahm meine Anwesenheit auch nur im Geringsten zur Kenntnis, als ich Victoria zu einem der Tische führte und dann an den Tresen trat, wo ich zwei Spritz con Campari bestellte, eine venezianische Spezialität. Die orangeroten Getränke wurden ohne ein Wort des Grußes oder einen Kommentar gemischt, und der Wirt hob nicht mal eine Augenbraue, als er je eine Olive und eine Zitronenscheibe in die beiden Gläser fallen ließ, ehe er dann unter die Theke griff und mir einen Teller mit in Cellophan eingewickelten Sandwichs reichte.
    Ich trug die beiden Gläser mit den klirrenden Eiswürfeln zu Victoria an den Tisch und ging dann noch mal zurück, um den Teller mit den Sandwichs zu holen.
    »Was ist das?«, fragte Victoria und wies auf ihren Drink.
    »Probier’s einfach. Wird dir schmecken.«
    Worauf sie mich misstrauisch anschaute, dann das Glas an die Lippen setzte und vorsichtig daran nippte. »Schmeckt ganz gut.« Sie schmatzte leise vor Behagen und leckte sich die Lippen.
    »Besser als ich?«
    Sie wurde rot und schaute angestrengt in ihr Glas, wobei sie die Olive mit dem Fingernagel anstupste. »Können wir nicht einfach so tun, als sei das alles nie passiert?«, fragte sie mit angespannter Stimme.
    »Wenn du willst.«
    »Es von der Festplatte löschen?«
    »Was? Ich hab keine Ahnung, wovon du redest.«
    Ich wackelte vielsagend mit den Augenbrauen und nahm einen Schluck Spritz . Als ich die Mischung zum ersten Mal probierte, hatte ich eigentlich erwartet, sie würde wie Orangina schmecken. Aber inzwischen war ich mehr der Ansicht, sie hatte was von verdünntem Hustensaft. Was kein Nachteil sein musste – womöglich schützte mich das Gebräu ja vor eventuellen Bazillen, die ich mir bei meinem unfreiwilligen Bad im Canal Grande eingefangen hatte.
    »Sandwich?«, fragte ich, zog die Folie herunter und hob den Teller mit den kleinen weißen Brotquadraten an einer Seite etwas an. »Die heißen hier francobollo «, erklärte ich. Das heißt ›Briefmarke‹.«
    Victoria hob eins der Häppchen an der Ecke hoch. »Ist das Aubergine?«
    »Geröstetes Gemüse. Ich glaube, es gibt auch welche mit Fleisch.«
    Victoria zuckte die Achseln und knabberte behutsam die Ecke des Brotes an. Mein Sandwich war mit einer Art luftgetrockneter Salami belegt. Nachdenklich kaute ich darauf herum und versuchte nicht allzu auffällig nach den Chili-Garnelen zu schielen, die der Wirt seinen stummen Freunden am Tresen offerierte.
    »Also, hast du irgendeine Ahnung, wer der Dicke mit dem Bart ist?«, fragte Victoria und hielt sich eine Hand vor den Mund, bis sie geschluckt hatte.
    »Wohl leider auch nicht mehr als du.«
    »Er schien sehr erpicht darauf, uns nicht aus den Augen zu verlieren.«
    »Aber sehr abgeneigt zu reden. Vielleicht ist er stumm.«
    Ich kramte in der Tasche nach meiner Zigarettenschachtel. Dann hielt ich das Päckchen hoch und schüttelte es, bis der Wirt zu uns rüberschaute. Mit einem reservierten Nicken signalisierte er Zustimmung. Aber er hätte es mir auch kaum abschlagen können, wo er doch selbst die ganze Zeit munter vor sich hin paffte.
    »Vielleicht ist er uns ja einfach bloß aus einer Laune heraus gefolgt«, meinte ich zu Victoria, während ich eine Zigarette aus der Packung zog und sie anzündete. »Könnte doch gut sein, dass er ein Teil unseres Gesprächs belauscht hat.«
    »Aber sagtest du nicht, du hättest ihn schon mal gesehen?«
    Ich nahm einen tiefen Zug und schüttelte den Kopf. »Langsam bereue ich es, dir das gesagt zu haben.«
    »Wieso das denn?«
    »Weil ich es nicht erklären kann. Als ich ihm das erste Mal über den Weg gelaufen bin, habe ich ihn für einen Penner gehalten. Vielleicht auch einen Säufer.«
    »Und jetzt?«
    »Jetzt ist er Teil des großen Rätsels geworden.«
    Victorias Augen hingen wie hypnotisiert an der glühenden Spitze meiner Zigarette. Ich glaubte fast, würde ich damit Kreise in die Luft malen,

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