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Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Ewan
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humpelte der Mann vorbei.
    »Siehst du ihn?«, wollte Victoria wissen.
    »Ja«, entgegnete ich und zerrte sie weiter. »Ist ja kaum zu übersehen.«
    »Wer ist das?«, fragte sie ziemlich atemlos.
    »Keine Ahnung.« Und ich war mir auch nicht sicher, ob ich das wissen wollte.
    Die blassgraue Steinbrücke wurde von starken Scheinwerfern unterhalb des Bogens angestrahlt, und in dem gleißend hellen Licht wirkte Victorias Gesicht erschreckend blass und hager.
    »Wo willst du hin?«, fragte sie.
    »Bloß weg hier.«
    »Aber er verfolgt uns doch nicht, oder? Charlie?« Sie drehte sich um und warf einen Blick über die Schulter zurück, wobei sie ins Stolpern geriet. »Mist«, schimpfte sie.
    »Hast du ihn gesehen?«
    »Den großen bärtigen Kerl mit dem komischen Hut? Der aussieht wie ein Bär?«
    »Das ist unser Mann.«
    Wir stiegen die Stufen hinauf, bis wir auf der Mitte des Brückenbogens angekommen waren. Rasch zog ich Victoria zu mir in den mittleren Rundbogen, mitten hinein ins Touristengedränge und die grell beleuchteten Souvenirläden, die schier überzulaufen schienen vor Karnevalsmasken und vergilbender Spitze, Plexiglasklötzen, Papierfächern, Wegwerfkameras und Postkarten.
    Victoria befreite sich energisch aus meinem Klammergriff und bleckte die Zähne, während sie heftig nach Luft schnappte. »Autsch«, zischte sie und schüttelte das schmerzende Handgelenk.
    »Entschuldige. Ich wollte dir nicht wehtun.«
    »Meinst du, er hat gehört, was wir gesagt haben?«
    »Na, hoffentlich nicht.«
    Just als ich das sagte, steuerte ein Straßenverkäufer in schmutziger Windjacke mit einem ganzen Arm voller einzeln in Cellophanfolie gewickelter roter Rosen auf uns zu. Er hielt mir eine hin und deutete mit dem Kopf auf Victoria.
    »Kaufen Rose für schöne Frau?«, fragte er.
    »Nein«, bellte ich barsch.
    »Keine Rose für schöne Frau?«
    »Verschwinden Sie.«
    Er hielt mir die Rose vors Gesicht, genau unter die Nase. »Schöne Rose, oder?«
    »Ach verdammt noch mal. Hier.« Ungeduldig entriss ich ihm die Rose, drückte sie Victoria in die Hand und suchte in meiner Hosentasche nach etwas Geld. Ungehalten stopfte ich ihm einen Schein in die Faust. »Und jetzt hauen Sie ab.«
    Ich machte eine Geste mit den Händen, als wollte ich eine missliebige Hühnerschar vertreiben, zugegeben nicht gerade nett von mir, und als ich mich umdrehte, stand Victoria da mit der Rose in der Hand und einem reichlich irritierten Gesichtsausdruck.
    »Schien mir die einfachste Methode, ihn schnell wieder loszuwerden«, meinte ich achselzuckend.
    »Du bist so ein Romantiker.« Sie reckte den Hals, um über die Köpfe und Schultern ringsum zu spähen. »Dieser bärtige Mann. Warum verfolgt der uns?«
    »Da weiß ich genauso viel wie du. Beunruhigend finde ich bloß, dass ich ihn schon mal gesehen habe.«
    Victoria fielen fast die Augen aus dem Kopf. »Ehrlich? Wann denn?«
    »Als ich in den Buchladen eingestiegen bin. Da war er ganz in der Nähe.«
    Sie schlug sich mit der Hand vor die Stirn. »Warum hast du mir denn nichts davon gesagt?«
    Jenseits ihrer Schulter fiel mein Blick auf ein ausladendes Spiegelbild im getönten Glas einer Schaufensterscheibe. »Wir müssen weg.«
    Und weg waren wir dann auch. Schleunigst verließen wir die Brücke wieder und liefen wahllos durch irgendwelche Gassen und um irgendwelche Ecken, wobei es uns gelang, uns innerhalb kürzester Zeit gründlich zu verlaufen, bis ich schließlich den Campo Manin vor uns auftauchen sah. An der angelaufenen, taubendreckverschmierten Statue des Daniele Manin mitten auf dem Platz verschnauften wir kurz. Dank Manins weitem Mantel, der verknitterten Kleidung und den wallenden Locken hatte die Statue verblüffende Ähnlichkeit mit unserem Verfolger.
    »Meinst du, wir bilden uns das bloß ein und leiden schon unter Verfolgungswahn?«, fragte Victoria, die die Hände in die Hüften gestemmt vornübergebeugt dastand.
    »Wie gerne würde ich Ja sagen«, entgegnete ich, während ich den Rücken durchbog und eine dicke Atemwolke in den Abendhimmel pustete.
    »Und warum tust du es dann nicht?«
    »Weil«, stöhnte ich, »ich ihn schon wieder sehe.«
    » Nein.«
    Abermals liefen wir zügig weiter, pflügten durch verstopfte Sträßchen, wichen Touristen aus und flitzten immer schmalere und immer gewundenere Gässchen entlang. Vorbei an geschwärzten Mauern, verschlossenen Fensterläden und verrammelten Türen. Vorbei an heruntergekommenen Bars und verwaisten Läden, vollgeklebt mit

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