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Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Ewan
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Kopf auf meine Schulter legte und mir dann die Rose hinhielt, um mich an der Blüte schnuppern zu lassen. Sie schien vollkommen geruchsneutral, oder aber ihr Duft kam gegen den fauligen Mief des schlammigen Kanals nicht an.
    »Himmel, das war ja echt komisch «, erklärte sie und schüttelte sich heftig. »Fandest du die Knutscherei auch so komisch?«
    Ich schluckte schwer. »Mhm. Ziemlich komisch.«
    Demonstrativ wischte sie sich mit dem Handrücken über die Lippen, dann erst ging ihr auf, wie das auf mich wirken musste. »Entschuldige«, murmelte sie.
    »Kein Ding.« Freundschaftlich legte ich ihr den Arm um die Schultern. »Wenn wir erst mal runter sind von dem Kahn, lade ich dich auf einen Drink ein. Alkohol ist keimtötend.«

Achtzehn
     
    Wie soll ich unsere Gondelfahrt wohl am besten beschreiben? Märchenhaft? Atmosphärisch? Zauberhaft?
    Nein, ich glaube, unangenehm trifft es am besten. Unangenehm und peinlich. Ach ja, und unentspannt. So unentspannt, dass ich beim Aussteigen die Zähne dermaßen zusammenbiss, dass ich aussah, als hätte ich gerade eine rasante Achterbahnfahrt hinter mir.
    Wobei natürlich kein Vergnügungspark der Welt es wagen würde, derartig unverschämte Wucherpreise zu verlangen, wie ich sie bezahlen musste. Womit wir eigentlich quasi Berufskollegen waren, Diebe unter sich sozusagen, und während ich den gesamten Inhalt meines Portemonnaies in die ausgestreckte Hand des Gondoliere zählte, kam mir der Gedanke, dass der gestreifte Pulli irgendwie ganz passend war. Fehlten nur noch Augenmaske und ein Sack fürs Diebesgut, und man hätte uns für entfernte Cousins halten können.
    Aber mal ehrlich, ich hatte nicht das Gefühl, übers Ohr gehauen worden zu sein. Schließlich war der Mann als Retter in höchster Not gerade zur rechten Zeit am rechten Ort aufgetaucht und hatte uns aus einer äußerst unerfreulichen Situation gerettet. Und wie ich da in dieser dunklen Gasse stand, hätte ich sicherlich mit dem größten Vergnügen doppelt so viel bezahlt, nur um möglichst schnell von dort zu verschwinden.
    Der Gondoliere hatte uns am Ramo del Selvadego abgesetzt, im Schatten des Planet-Hollywood-Restaurants gleich hinter der Piazza San Marco. In der Nähe gab es einen Bankautomaten, und ich verspürte plötzlich den dringenden Wunsch, davon Gebrauch zu machen.
    »Tut mir leid, dass es so teuer war«, meinte Victoria. »Komm, ich gebe dir die Hälfte dazu.
    »Kommt gar nicht in die Tüte«, sagte ich. »Das war doch toll. Betrachte dich als eingeladen.«
    Und ehe Victoria mir widersprechen konnte, hatte ich sie auch schon am Ellbogen gepackt und manövrierte sie zum Campo Santo Stefano. Der große keilförmige Platz war einer meiner liebsten Orte in der ganzen Stadt. Tagsüber ging ich oft zu einem der Kioske und kaufte dort meine englischen Zeitungen und vertrödelte dann bei einem Cappuccino in einem der vielen Straßencafés den Tag. Manchmal spielten Kinder Fußball gegen die Außenmauer der Kirche mit dem Kuppeldach, wo die mit Kreide aufgemalten Umrisse eines Tors gerade noch zu erkennen waren, oder zogen einen Drachen hinter sich her, während sie im Kreis um die Bronzestatue mitten auf dem Platz herumliefen. Die Hunde aus der Nachbarschaft gingen ohne Herrchen und Frauchen spazieren und schnüffelten nach unbekannten Gerüchen, während Touristen die Speisekarten der rings um den Campo gelegenen Restaurants studierten.
    Aber abends war alles anders. Die Zeitungskioske waren längst geschlossen und verrammelt, Tische und Stühle der Cafés waren aufgestapelt und beiseitegestellt, und kein einziges Kind war mehr zu sehen.
    Durch eine Nebengasse am anderen Ende verließen wir den Platz wieder, und ich führte Victoria in einen gut besuchten bacaro in der Nähe, in dem ich schon ein paar Mal gewesen war. Drinnen waren die Wände mit Regalen gesäumt, die vom Boden bis zur niedrigen Holzbalkendecke reichten und voller verstaubter Weinflaschen waren, und am anderen Ende der Marmortheke, an der drei verwitterte alte Männer auf hohen Barhockern saßen, standen ein paar bunt zusammengewürfelte, grob gezimmerte Tische. Im Fernsehen in der Ecke hoch über der Theke lief ein Spiel der Serie A , und der Kommentar klang so schnell und begeistert, dass es sich anhörte, als könne der Sprecher jederzeit in Schnappatmung verfallen. Einer der Männer hatte eine rosarote La Gazetta dello Sport aufgefaltet vor sich liegen, und geistesabwesend griff er mit der Hand in verschiedene Schälchen mit

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