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Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Ewan
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er Recht hat. Ist es für dich wirklich in Ordnung, allein mit ihm rüberzufahren?«
    »Hast du ihm die Handschellen angelegt?«
    »Alles wie besprochen.«
    »Dann dürfte das kein Problem sein.«
    Ich schaute sie durchdringend an. »Ich beeile mich.«
    »Das will ich hoffen.«
    Das tat ich dann auch. Mühsam richtete ich mich auf, krabbelte auf die Kaimauer und stieß das Boot mit dem Fuß weg von der Kante. Victoria ließ den Motor an und tuckerte im Halbkreis davon, und ich schaute ihr hinterher, bis sie das Boot sicher auf den Canal Grande gesteuert hatte, dann ging ich bis zu der kleinen Gasse zurück, die am Palazzo entlangführte.
    Es mochte vielleicht schon eine Viertelstunde her sein, dass ich mit dem Grafen hier war, aber das spielte meines Erachtens keine große Rolle. Ich griff in meine Gürteltasche, holte die Pistole heraus und legte die tauben Finger um den Griff. Dann schaute ich mich vorsichtig um und vergewisserte mich, dass niemand in der Nähe war. Als ich sicher sein konnte, keine ungebetenen Zuschauer zu haben, schraubte ich den Schalldämpfer vorsichtig aus dem Lauf. Das ging leichter als erwartet, weshalb ich fast versucht war zu glauben, Waffen könnten womöglich doch keine so komplizierte Angelegenheit sein, wie ich immer angenommen hatte. Anschließend entsicherte ich die Pistole und richtete das Ding in den Himmel über meinem Kopf, duckte mich, so gut es eben ging, hielt mir mit der anderen Hand das Ohr zu und drückte ab.
    Verflucht. Es war laut, und der Lärm wurde von den hohen Mauern ringsum noch um ein Vielfaches verstärkt. Der Lichtblitz, der vorne am Lauf aufzuckte, war heller als erwartet, gleißend hell wie ein Blitzschlag. Mein Arm zuckte unter dem Rückschlag zurück, und ich schaukelte auf den Hacken vor und zurück, während ich eine zweite Kugel abfeuerte. Die ausgestoßene Hülse streifte mein Handgelenk und versengte mir die Haut. Fluchend hielt ich mir die brennende Stelle, dann stopfte ich die noch rauchende heiße Pistole in die Gürteltasche und lief so schnell ich konnte in Richtung Dorsoduro, halb blind und halb taub und womöglich auch halb umnachtet.

Sechsundzwanzig
     
    Später, als ich es schließlich nach Hause geschafft und mich mit Victoria mit vereinten Kräften abgerackert hatte, den Koffer nach oben in die unbewohnte Dachgeschosswohnung zu wuchten, wo wir den friedlich schlummernden Grafen dann gefesselt und geknebelt und an einem hochlehnigen Stuhl mitten im leeren Wohnzimmer festgebunden hatten, nutzte ich die erstbeste Gelegenheit, einfach zu kollabieren und mich am Boden liegend zu fragen, was um alles in der Welt wir uns da eigentlich eingebrockt hatten.
    Als Victoria mir ihren Entführungsplan unterbreitet hatte, war mir das zunächst alles vollkommen einleuchtend erschienen. Der Graf mochte vielleicht noch nichts davon ahnen – betäubt, gefesselt und geknebelt, hilflos in einer wildfremden Umgebung –, aber es war nur zu seinem Besten. Solange er nicht aufzufinden war, konnte man ihn auch nicht umbringen, so zumindest unsere simple Gleichung. Außerdem, mal angenommen, jemand hatte aufgrund der Schüsse, die ich abgefeuert hatte, die Polizei alarmiert, dann standen die Chancen nicht schlecht, Graziella und ihre mysteriösen Hintermänner überzeugen zu können, dass ich den Mordauftrag wie verlangt ausgeführt und anschließend die Leiche beseitigt hatte.
    So zumindest die Theorie, die ich während der kurzen Planungsphase für sehr überzeugend gehalten hatte. Schade nur, dass die Wirklichkeit sich als etwas komplizierter entpuppte.
    Zunächst einmal war die Entführung an sich alles andere als ein entspannter Sonntagsspaziergang gewesen – ich bin es gewohnt, nach einem Einbruch den Ort des Geschehens mit ein oder zwei wertvollen Preziosen in der Tasche zu verlassen, und nicht mit einem fünfundsiebzig Kilo schweren Italiener auf dem Buckel. Außerdem erschien mir das alles inzwischen als eine ziemlich unschöne und, nun ja, kriminelle Angelegenheit. Allem Anschein nach erfreute der Graf sich nicht gerade der allerbesten Gesundheit. Zwei Stunden waren inzwischen vergangen, und noch immer war nicht das kleinste Anzeichen zu erkennen, dass die Wirkung des Betäubungsmittels allmählich nachließ. Zwar atmete er noch, Gott sei Dank, aber der Kopf hing ihm schlaff auf der Brust, sodass der Körper mit dem ganzen Gewicht in jenen Seilen hing, mit denen er festgebunden war. Die Knöchel waren blutig, die Wangen um den Behelfsknebel, den wir an

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