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Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Ewan
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war hinter bodentiefen schweren Vorhängen verborgen. Der Boden war staubbedeckt und mit Fußspuren übersät, die zu einer offenen, mit Werkzeug und Baumaterial vollgestopften Kammer führten. Schutzhelme und grellbunte Warnwesten, Vorschlaghammer und Spaten, Eimer mit eingetrocknetem Putz und dutzende von Farbbüchsen stapelten sich darin. Nicht gerade schick, aber auch nicht weiter verwunderlich. Dieser Laden war typisch für Venedig – Shabby Chic par excellence –, und wie zum Beweis war der Hauptspielbereich am Ende der Treppe ein Paradebeispiel verblichener Pracht und Herrlichkeit. Verschrammter Terrazzoboden, abblätternde beflockte Vliestapeten und stockfleckige Decken mit abbröckelnden Stuckornamenten. Über unseren Köpfen prangten zwei gigantische verstaubte Muranoglaslüster, die aussahen, als könnten sie jederzeit herunterkrachen, und an den Fenstern hingen vergilbte Stores.
    Mitten im Raum standen drei Roulettetische, wobei nur an zweien gespielt wurde. An jedem der Tische saßen vier Croupiers, zwei Männer und zwei Frauen, die allesamt billige Smokingjacken trugen, die auch nicht besser saßen als meine. Es war kaum was los. Alles in allem zählte ich neun Spieler sowie einige ältere Herren in abgewetzten Straßenanzügen, die auf kleinen Kärtchen die Zahlen notierten, die aufgerufen wurden.
    Ein Durchgang zu unserer Linken führte uns vom Roulettegeschehen fort in einen kleinen Raum mit veralteten Spielautomaten, an denen niemand spielte. Die Maschinen blinkten und piepsten einander hilf-und hoffnungslos zu wie eine endlose Reihe längst vergessener Supercomputer, die seit Jahrzehnten an längst gelösten Rechenaufgaben arbeiteten.
    Jenseits der Spielautomaten befand sich ein Kassenschalter, ein seltsam futuristisches Ding mit einem geschwungenen Metalltresen, der aussah wie aus einem havarierten Raumschiff herausgerissen. Gleich nebenan gab es eine schmuddelige kleine Bar, die gut in einen schäbigen Provinzbahnhof gepasst hätte. Die Theke war aus Marmorimitat und wartete mit einem Zapfhahn für Bier nebst einer grellbunten marktschreierischen Auslage mit Pfefferminzbonbons auf. In einer Glasvitrine waren schlappe, aufgeweichte Sandwichs und in Cellophanfolie verpackte Panini ausgestellt.
    Bewacht wurde das Ganze von einem weißhaarigen Mann mit bemerkenswertem Schnauzbart. Er trug einen strahlend blauen Blazer mit Messingknöpfen und wirkte alt genug, um bei der Grundsteinlegung des Gebäudes dabei gewesen sein zu können. Bei ihm bestellte ich ein Glas Weißwein für Victoria und ein Sprudelwasser für mich und drückte ihm unsere Gutscheine zusammen mit einem bescheidenen Trinkgeld in die Hand.
    Wobei ich mir nicht mal sicher war, ob wir lange genug bleiben würden, um unsere Gläser auszutrinken. Das Casino schien mir eine grandiose Niete zu sein, und ich konnte mir nicht mal im Ansatz vorstellen, weshalb der Graf so erpicht darauf gewesen war, hierherzukommen. Als Mindesteinsatz an den Roulettetischen reichte loses Kleingeld, und sollte man an einem der Spielautomaten den Jackpot knacken, bestand meines Erachtens die durchaus ernstzunehmende Gefahr, dass man den Gewinn in Lire statt in Euro ausgezahlt bekam.
    »Schon irgendwas Interessantes entdeckt?«, erkundigte ich mich bei Victoria.
    »Nicht die Bohne.«
    »Langsam beschleicht mich der Verdacht, der gute Graf hat uns auf eine falsche Fährte gelockt.«
    »Na ja, lass dich ruhig beschleichen, denn ich bin geneigt, dir zuzustimmen.«
    Der Barmann stellte uns die Getränke zusammen mit einem Schälchen Nüsse auf die Theke. Mit einer Handbewegung ließ ich die Nüsschen zurückgehen und führte Victoria dann an der Kasse vorbei zu den Automaten.
    »Was meinst du?«, fragte ich und nippte an meinem Wasserglas. »Noch fünf Minuten, dann gehen wir?«
    »Meinetwegen. Ich weiß bloß nicht, was wir dann machen sollen.« Victoria schaute sich um, als könne sich die Antwort auf diese Frage womöglich gerade von hinten anschleichen. »Wir könnten nach Hause gehen und den Grafen noch mal in die Mangel nehmen, aber das bringt uns vermutlich auch nicht weiter. Sieht ganz so aus, als hätte er uns auf einen Metzgersgang geschickt. Wer weiß, was der noch alles aus dem Ärmel zaubert?«
    Gerade wollte ich einige Vorschläge machen, wie wir diesbezüglich einige ihrer Spionageutensilien dazu benutzen könnten, den Grafen zum Reden zu bewegen, als mein Blick auf eine Tür fiel, die mir bisher noch nicht aufgefallen war. Sie war gleich geradeaus

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