Schwarze Schafe in Venedig
Typen auf deinem Autorenfoto.«
Ich verstand gleich, was sie damit meinte. Kurz vor der Veröffentlichung meines ersten Buchs war ich vom Verlag gebeten worden, ein Bild von mir einzusenden, und da war ich auf die glorreiche Idee gekommen, das Foto eines smokingtragenden Katalogmodels einzusenden. Dafür gab es mehrere Gründe. Zum einen ist es als Einbrecher nicht besonders vorteilhaft, überall erkannt zu werden. Zum anderen konnte es einem Autor, der Bücher verkaufen will, nicht schaden, so attraktiv wie irgend möglich auszusehen. Was natürlich zwangsläufig zu diversen Verwicklungen geführt hatte, nicht zuletzt deshalb, weil ich es versäumt hatte, Victoria reinen Wein einzuschenken, bis wir uns vor ein paar Jahren in Paris über den Weg liefen. Es war wohl ein gutes Zeichen, dass sie inzwischen darüber lachen konnte, wobei dieses Thema mir selbst immer noch sehr unangenehm war.
»Also, wollen wir?«, fragte ich. »Ich muss nur schnell noch ein paar Sachen holen. Schuhe, Deo, meinen Mantel, das Brillenetui mit meinem Einbrecherbesteck, deinen Spionagekoffer. Du weißt schon, das Übliche.«
»Willst du dich wieder Hals über Kopf in ein neues Abenteuer stürzen?« Sie zwinkerte mir im Spiegel zu. »Also gut. Warum zum Teufel eigentlich nicht?«
Neunundzwanzig
Das Casinò di Venezia befindet sich im Palazzo Ca’Vendramin Calergi, gleich am Canal Grande gelegen und zu Fuß kaum eine Viertelstunde vom Haus des Grafen entfernt. Ironie des Schicksals eigentlich, denn es hätte mir eine Menge Mühe erspart, wäre ich früher auf den Trichter gekommen, einen Abstecher dorthin zu machen. Wobei die Sache einiges an Dramatik eingebüßt hätte, wären wir tatsächlich zu Fuß zum Casino gegangen, statt in einem gestohlenen Motorboot elegant dorthin zu schippern und durch das wolkig-trübe Wasser und unter den beleuchteten Fenstern und den Restaurants entlangzugleiten, die das Kanalufer säumten.
Vom Wasser her kommend verfügte das Casino über einen imposanten Eingang. Ein langer Holzsteg, beschirmt von einem burgunderroten Baldachin und umringt von Pfählen zum Vertäuen der Boote, an denen Glaslaternen hingen, umgeben von einem Heiligenschein aus wehendem Nebel. Zwei Wachleute in burgunderroten Uniformjacken riefen uns beim Anlegen Anweisungen zu und halfen uns, das Boot am Landungssteg zu vertäuen. Einer reichte Victoria gar die Hand, worauf sie das Kleid raffte und mit der Anmut einer entfernten Angehörigen des europäischen Hochadels unserem schmuddeligen Transportmittel entstieg. Ein roter Teppich führte uns zum geschwungenen Türbogen über dem Eingang, und Victoria hakte sich bei mir unter, als wir den weitläufigen Empfangsbereich durchquerten.
Der rote Teppich zog sich über den glänzenden Terrazzoboden zu einer istrischen Steintreppe, die sich im weiten Bogen nach links wand. Jenseits der Treppe, am anderen Ende des Raums, hingen vor den bodentiefen Fenstern vornehme burgunderrote Banner von der Decke. Durch die Fenster konnte man einen Blick auf einen beleuchteten Innenhof erhaschen, wo auf einem leicht gekippten Podest ein auf Hochglanz polierter Jaguar in British Racing Green ausgestellt war. Es war seit Wochen das erste Auto, das ich zu sehen bekam, was für mich auch die Frage aufwarf, wie es wohl an seinen Platz gekommen war.
Rechts von uns zog sich an der Wand ein langer Holztresen entlang. Dahinter stand eine auffallend gutaussehende große schlanke Frau in einem grauen Maßanzug, die uns durch ihre strenge Brille aufmunternd zulächelte. Woraufhin ich mit Victoria schnurstracks auf sie zuging und sie mit einem sehr englischen »Good Evening«, begrüßte.
»Good Evening, Sir.« Unauffällig musterte sie meine verlotterte Aufmachung, den geborgen Smoking, das fleckige Hemd und den Wintermantel, der nach meinem Hechtsprung in den Kanal gerade erst getrocknet war, um sich dann mit einem Blick auf Victorias makellose Erscheinung rückzuversichern. »Dürfte ich bitte Ihren Ausweis sehen?«
Ich zog die verlangten Dokumente aus der Innentasche der gräflichen Smokingjacke und reichte sie ihr. Normalerweise hätte ich wohl versucht, ihr einen gestohlenen Ausweis unterzujubeln, aber da keine Zeit geblieben war, etwas Derartiges für Victoria aufzutreiben, spielte ich notgedrungen mit offenen Karten und zeigte unsere echten Pässe vor.
Die Frau klappte sie auf und schaute von ihrer recht hohen Warte zu uns herunter, um die Fotos mit unseren Gesichtern abzugleichen. Dann lächelte sie
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