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Schwarze Schiffe - Kommissar Ly ermittelt in Hanoi

Schwarze Schiffe - Kommissar Ly ermittelt in Hanoi

Titel: Schwarze Schiffe - Kommissar Ly ermittelt in Hanoi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Luttmer
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los.«
    »Ach, Ly, charmant wie immer.«
    Ohne etwas zu erwidern, ging Ly zum Tresen und zahlte. Diese alte Natter. Er hatte sie noch nie gemocht.
    Sie waren kaum aus der Tür, da kam ihnen auf dem Gehweg Xuan vom Wasserschutz entgegen, in der Hand einen Milchkaffee, abgefüllt in einen kleinen Plastikbeutel, der mit einem Gummiband verschlossen war. Nur der Strohhalm schaute heraus. Als er Ly mit Thanh sah, hob er nur kurz die Hand und ging gleich weiter. Immerhin einer, der nicht neugierig war, dachte Ly dankbar.
    Thanh war mit dem xe om in der Stadt. Die Fahrer dieser Motorradtaxen, wörtlich Umarmungsfahrzeuge, waren nicht gerade berühmt für ihre umsichtige Fahrweise. Ly bot ihr an, sie nach Hause zu bringen. Natürlich startete die Vespa gerade jetzt mal wieder nicht. Ly musste mehrmals auf den Kickstarter eintreten, bis der Motor endlich aufheulte. Im Damensitz setzte Thanh sich hinter ihn, mit kerzengeradem Rücken und übereinandergeschlagenen Beinen. Ly spürte ihre Hände auf seinen Seiten. Ihr Oberkörper schmiegte sich eng an ihn. Die Strecke bis in die Phuong-Mai kam ihm diesmal viel zu kurz vor.
    Er stellte seine Vespa ab, um Thanh zur Tür zu bringen. Im Treppenhaus war es ebenso dunkel wie bei seinem ersten Besuch. Im zweiten Stock blieb sie stehen und drehte sich zu ihm um. Sanft ließ sie die Fingerspitzen über seine Wange gleiten. Er dachte, wie schön es wäre, mit ihr zu schlafen, überhaupt mal wieder mit einer Frau zu schlafen. Wie lange hatte er keinen Sex mehr gehabt? Er strich ihr durch die Haare, sog ihren vanilligen Duft ein. Gleichzeitig fragte er sich, was er hier eigentlich machte. Sie hob den Kopf und küsste ihn leicht auf die Lippen. Ly wurde heiß. Doch dann, ganz unvermittelt, stieß sie ihn von sich. Schritte näherten sich. Ein Mädchen mit einem langbeinigen, dürren Körper und hängenden Schultern kam die Stufen hoch. »Meine Tochter«, flüsterte Thanh. Das Mädchen würdigte ihn keines Blickes.
    *
    Ly war verwirrt. Das Treffen mit Thanh hatte ihn in jeder Hinsicht durcheinandergebracht. Er war so fahrig, dass er sich selbst nervte. Um sich abzulenken, fuhr er ins bia hoi zu Minh. Auf dem Gehweg spielte Huong mit drei Jungs in ihrem Alter Badminton. Sie kicherten und alberten mit den Schlägern herum. Ly schaute eine Weile zu. In einem der Jungen erkannte er Cuong, den Sohn des Sargbauers, der die tote Sinh im Tempelhof gefunden hatte. Cuong grüßte höflich.
    »Huong, du solltest doch im Haus bleiben«, rief Ly seiner Tochter schließlich zu. »Rein mit dir.« Sie sah ihn flehend an, aber er ließ sich nicht erweichen, auch wenn es ihm schwerfiel.
    Er trank ein Bier und fuhr dann zum Tay-Ho-Tempel hinaus. Er wollte Herrn Vu, dem Straßenwart, mitteilen, dass sie nun zumindest wussten, wer die Tote war. Er hatte das Gefühl, es dem alten Mann schuldig zu sein.
    Auch diesmal traf er Herrn Vu vor seinem Haus an, wo er in seinem gestreiften Schlafanzug auf einem Stuhl saß. Er feilschte gerade mit einer fliegenden Händlerin um den Preis für Orangen. Die Frau hatte ihre Schulterstange mit den beiden Körben vor ihm abgestellt und wog mit einer kleinen Handwaage drei Früchte aus. Ly zog sich einen Stuhl heran, setzte sich dazu und erzählte Herrn Vu in groben Zügen, was sie über die Tote herausgefunden hatten.
    Der Alte hielt die Tüte mit den drei Orangen fest in der Hand und blickte vor sich hin. »Sie besucht mich in meinen Träumen, genau wie die Frau aus dem Fluss«, sagte er. »Wir müssen eine Zeremonie abhalten.« Ly nickte. Er hatte geahnt, dass Herr Vu das irgendwann ansprechen würde. Sinh war eines brutalen, unnatürlichen Todes gestorben.Ohne eine Zeremonie würde ihre Seele die Qualen des Todes wieder und wieder durchleben, was Unheil auch für die Lebenden nach sich ziehen konnte. Sie mussten eine Zeremonie durchführen, um sie aus diesem Leid zu befreien. Dann würde sie auch wieder aus Herrn Vus Träumen verschwinden. Ly stimme also zu, wollte aber zuerst die Schwester der Toten finden.
    *
    Ly war noch am Tempel, als sein Mobiltelefon klingelte. Er sah auf das Display und merkte, wie sein Puls sich beschleunigte. Es war seine Schwiegermutter. Er wagte kaum, das Gespräch anzunehmen.
    »Mutter? Was ist?« Seine Stimme zitterte. Nicht auch noch Duc. Sie konnten nicht auch noch Duc angegangen sein.
    »Ly, gut, dass ich dich erreiche. Duc hat sich die Hand verstaucht. Er ist vom Wasserbüffel gefallen.«
    Eigentlich hätte Ly jetzt beunruhigt sein müssen,

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