Schwarze Schiffe - Kommissar Ly ermittelt in Hanoi
gemeldet. Ohne Kennzeichen hatten sie da keine Chance.
*
Für Sinh und Hoa fand Lan weder Geburtsurkunden noch Einträge im Melderegister. Aber eine Marktfrau in Phuc Tan sagte aus, Hoa habe ab und an bei ihr eingekauft. Reis, Salz, getrocknete Nudeln. Die wichtigsten Grundnahrungsmittel. Sie sei sehr wortkarg gewesen, hätte nie auch nur ein Wort zu viel gesagt. Auch ein Tankwart, mit dem Lan gesprochen hatte, meinte, Hoa zu kennen. Sie habe regelmäßig bei ihm Benzin geholt. Sie sei immer zu Fuß gekommen, mit einem Kanister in der Hand. Aber er habe sie schon länger nicht mehr gesehen.
Sinhs Name war in den Akten des vietnamesisch-deutschen Krankenhauses verzeichnet. Im Zeitraum von drei Jahren hatte sie dort zwei Abtreibungen vornehmen lassen. Bei der Anmeldung hatte sie zwar keinen Wohnsitz angegeben und den Eingriff wie allgemein üblich in bar bezahlt, aber sie wussten jetzt zumindest, dass Sinh 20 Jahre alt gewesen war. In nur einem Monat hätte sie Geburtstag gehabt.
Sie hatten auch herausgefunden, dass Sinhs kleine Schwester Hoa 13 Jahre alt war. Sie war in einer Schule in Gia Lam auf der anderen Flussseite eingeschrieben. Es war eine kleine Schule, in der bei der Anmeldung keine offiziellen Dokumente verlangt wurden. »Wir sind froh, wenn die Kinder überhaupt kommen«, hatte die Direktorin, die gleichzeitig auch Hoas Lehrerin war, erklärt.
Lan war hinausgefahren, um mit ihr zu sprechen. Die etwas steife Frau hatte ihr erzählt, Hoa sei ein fleißiges Kind, aber sehr still und zurückhaltend und eher eine Einzelgängerin. Eine enge Freundin habe sie in der Schule nicht.
Die letzten drei Wochen sei sie nicht zum Unterricht erschienen. Doch dies sei nichts Ungewöhnliches. Es sei auch schon früher vorgekommen. Wenn es zu Hause viel Arbeit gab, kamen die Kinder nicht. So sei das eben.
Über die familiären Verhältnisse konnte sie berichten, dass Hoa bei einer älteren Schwester auf einem Sampan lebte. Die Eltern seien vor einigen Jahren bei einem Unfall, über den sie allerdings nichts Näheres zu berichten wusste, ums Leben gekommen. Von einem Bruder oder einem anderen Familienmitglied sei ihr nichts bekannt.
Lan sprach mit einigen der Mitschüler, erfuhr abernichts, was ihm von Interesse erschien. Niemand hatte eine Idee, an wen Hoa sich wenden würde, wenn sie Hilfe bräuchte.
*
Am nächsten Vormittag saß Ly im Café Mai und blätterte die Zeitungen des Tages durch. Im Norden hatte es noch immer kaum geregnet, und die Wasserknappheit blieb akut. Die Kampagne für Ruhe und Ordnung machte Fortschritte. Die Morde wurden mit keinem Wort mehr erwähnt. Die fehlgeschlagene Razzia auch nicht. Ly schreckte auf, als ihm jemand auf die Schulter tippte. Es war Thanh.
»Hallo, Sie hier?«
Ly freute sich, sie zu sehen. Sie setzte sich ihm gegenüber an den Tisch und bestellte eine frische, gekühlte Kokosnuss mit Strohhalm. Ly schaute direkt in ihren Ausschnitt. Hübsch, dachte er. Er wandte den Blick nicht sofort ab.
»Sagen Sie, konnten Sie meinen Zeugen erreichen?« Sie sprach leise, so dass niemand an den anderen Tischen sie hören konnte.
»Alles in Ordnung«, sagte Ly.
»Heißt das, dass ich aus der Ermittlung raus bin?«
Ly schüttelte leicht den Kopf. »Ganz so einfach ist das nicht. Der Fall muss erst aufgeklärt und vollständig abgeschlossen sein.«
Sie kniff die Lippen zusammen, ihre Augen glänzten.
»Aber machen Sie sich keine Sorgen. Das ist eine reine Formsache«, schob er hinterher.
»Unerfreulich ist das schon«, sagte Thanh.
Ly verspürte das dringende Bedürfnis, sie aufzuheitern. »Haben Sie vielleicht Lust, etwas Kleines zu essen? Um die Ecke gibt es ein vorzügliches Hue-Restaurant. Die machen die besten thit bo nuong la lot .« Rindfleischkuchen in wilden Betelblättern.
*
Sie saßen an einem Tisch vor den weit geöffneten Fenstern. Draußen pulsierte der Verkehr. Sie sprachen über alles und nichts. Sie mehr als er. Eigentlich hörte er nur zu und ließ sich von ihrem Lächeln und dem Klang ihrer Worte davontragen. Thanh legte vertraulich eine Hand auf Lys Arm, während sie redete. Sie waren beim Nachtisch, als eine Freundin von Lys Frau das Restaurant betrat.
Ly fluchte innerlich. Nicht die.
Natürlich entdeckte sie Ly sofort und kam zielstrebig auf ihren Tisch zu. »Ly, so eine Freude, dich zu sehen«, begrüßte sie ihn mit einem Lächeln und taxierte Thanh, die schnell ihre Hand zurückgezogen hatte.
»Wie geht es Thuy?«
Ly stand auf. »Wir müssen
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