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Schwarze Schiffe - Kommissar Ly ermittelt in Hanoi

Schwarze Schiffe - Kommissar Ly ermittelt in Hanoi

Titel: Schwarze Schiffe - Kommissar Ly ermittelt in Hanoi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Luttmer
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Anwohnerzentrum ausgebaut.
    Es kam kaum Tageslicht unter der Trasse an, nur einige flackernde Neonröhren spendeten Licht. In einer Ecke saßen mehrere alte Männer und sahen aus, als würden sie dort von früh bis spät Bier trinken. Ein Fernseher lief. Ein junger Mann mühte sich mit einem selbstgebauten Fitnessgerät ab. Mit den Füßen drückte er Gewichte, die über eine Metallkette hoch und runter schnarrten. Sein nackter, muskulöser Oberkörper war von einem Schweißfilm überzogen, der Kopf puterrot. Überall lagen Körbe und Säcke herum. Eine Großmutter warf eine Münze in einen Miniaturpanzer, der sofort begann, zu ruckeln und Schießgeräusche von sich zu geben. Im Gesicht des Jungen am Steuer zeichnete sich Verzweiflung ab, wobei die Oma hartnäckig singend in die Hände klatschte undihren Enkel anstrahlte, bis dieser letztendlich in Tränen ausbrach und nur noch schrie.
    Ly ging der Lärm auf die Nerven, und er lief schnell weiter, blieb aber abrupt stehen, als er Motorengeräusche hörte, die dumpf aufheulten, so als kämen sie aus einem geschlossenen Raum.
    Die Tür eines Holzverschlags an der Rückwand des Golden Riverside flog auf, und ein Motorrad schoss heraus. Der Fahrer war schwarz gekleidet und trug eine Sonnenbrille. Im Slalom umfuhr er das unter der Brücke herrschende Chaos, jagte auf die Straße und durch die Absperrung der Polizei. Hinter ihm saßen ein Mädchen und ein zweiter Mann. Ein zweites, drittes und viertes Motorrad folgten, alle in ähnlicher Besetzung. Es ging zu schnell, als dass Ly Details erkennen konnte. Er rief dem Beamten, der die Absperrung hochgehalten hatte, zu, sie sollten die Motorräder verfolgen. Der allerdings stand nur mit offenem Mund da. Als er endlich Verstärkung durch sein Funkgerät anforderte, waren die Flüchtigen längst außer Sichtweite.
    *
    »Niemand konnte ahnen, dass es einen geheimen Hinterausgang gibt«, sagte Ngoc.
    »Wer hat alles von der Razzia gewusst?« Ly wollte nicht mehr ausschließen, dass es eine undichte Stelle in den eigenen Reihen gab. Ngocs Männer, die bei dem Einsatz dabei gewesen waren, hatten erst vor Ort erfahren, worum es eigentlich ging. Blieben also nur er, Lan und Ngoc.
    »Schau mich nicht so an«, sagte Ngoc. »Ich mag ja einArsch sein, aber ich habe nichts ausgeplaudert. Niemand hat hier etwas ausgeplaudert.«
    Ly schüttelte wie zu sich selbst den Kopf. Er wusste nicht mehr, wem er vertrauen konnte.
    »Dann wären die mit den Mädchen viel früher weg gewesen«, fügte Ngoc an und sagte dann mit einer Verbitterung, die Ly von ihm nicht kannte: »Sie waren einfach gut vorbereitet. Besser als wir.«
    *
    Sie hatten drei Köche festgenommen, fünf Küchenhilfen, den Parkwächter und zwanzig junge, hübsche Kellnerinnen. Die Verhöre, die sich bis in die Nacht hinzogen, liefen schwerfällig. Die Frauen heulten, die Männer blieben wortkarg. Die Kellnerinnen, ohne Ausnahme volljährig, gaben alle zu, in den Séparées auf spezielle Anfrage gewisse Leistungen erbracht zu haben. Ansonsten waren die Aussagen widersprüchlich. Aber eines wussten sie nach den Vernehmungen: Im Golden Riverside war Sex mit Jungfrauen angeboten worden. Die Kunden wurden immer direkt in das obere Stockwerk geführt. Fast wöchentlich kamen neue Mädchen an, sie blieben nie lange. Keiner konnte sagen, ob eine von ihnen Hoa gewesen war. Die Mädchen wurden weggesperrt. Zuhälter schoben vor ihren Zimmern Wache.
    Sie waren jedoch alle, ebenso wie der Besitzer des Golden Riverside, entkommen. Die minderjährigen Mädchen hatten sie auf den Motorrädern mitgenommen, sie waren ihre wertvollste Ware.
    *
    Die Untersuchung des Zettels, den Huong auf ihrer Honda gefunden hatte, ergab, dass das chinesische Schriftzeichen mit Rattenblut gestempelt worden war. Fingerabdrücke gab es keine.
    Während Ly und Ngoc die Razzia durchgeführt hatten, hatte Huong lange mit einer Mitarbeiterin aus dem Archiv zusammengesessen und hatte sich Fotos von aktenkundig gewordenen jungen Männern angeschaut. Doch keinen identifizierte Huong als denjenigen, der sich ihr als Son vorgestellt und sich mit ihr am Tempel verabredet hatte.
    Die Minsk zu ermitteln, die Ly am Tay-Ho-Tempel in die Baugrube gedrängt hatte, versuchten sie erst gar nicht. Städter fuhren heutzutage keine dieser russischen Ölschleudern mehr. Abgesehen mal von ein paar Ausländern vielleicht. Hanoier kauften Honda, Piaggio oder Suzuki. Die Minsk war das Gefährt der Bauern. Auf dem Land waren unzählige Minsk

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