Schwarze Schiffe - Kommissar Ly ermittelt in Hanoi
und rauchte. Sein Kollege schlenderte die Straße entlang, kontrollierte die Papiere der Händler, maulte herum, steckte Geld ein, ging weiter. Ganz offensichtlich genoss er seine Autorität.
»Was ist mit der Vespa?«, fragte Ly den Uniformierten im Pick-up.
Langsam, ohne hinzuschauen, wer mit ihm sprach, blies der Mann den Rauch in Lys Richtung und antwortete: »Konfisziert. Weisen Sie nach, dass es Ihre ist. Dann können Sie sie morgen bei der Hauptwache auslösen.« Größte Langeweile schwang in seiner Stimme mit.
»Setz dich in Bewegung, und fahr die Vespa ins Präsidium«, schnauzte Ly ihn an, insgeheim froh, jemanden gefunden zu haben, der es verdiente, seine schlechte Laune abzubekommen. »Danach melde dich in meinem Büro, Kommissar Pham Van Ly. Und bring deinen fleißigen Kollegen da drüben mit.« Ohne auf eine Antwort zu warten, ließ er den verblüfften Mann stehen und setzte seinen Weg fort.
*
Das Präsidium betrat Ly durch einen Seiteneingang, grüßte den alten Portier, den man auf diesen abgelegenen Posten abgeschoben hatte, und nahm immer drei Stufen auf einmal in den zweiten Stock. Es roch nach Kaffee. Lan hatte sich eine dieser ausländischen Filtermaschinen zugelegt. Der Kaffee schlug auf den Magen, war aber besser als gar keiner.
Lan saß hinter ihrem Computer, ihre Finger huschten hastig über die Tastatur. Ly schenkte sich einen Kaffee ein und trank ihn in einem Zug aus. »Hat Xuan sich heute schon gemeldet?«
»Sollte er das?«
»Kannst du mal seine Personalakte einsehen?«, fragte Ly.
Lan drehte sich mit einem Ruck zu Ly um. »Was?«
»Mach es einfach.«
Lan musterte Ly und wandte sich dann wieder ihrem Computer zu. Ly schaute ihr über die Schulter, wurde allerdings nicht schlau aus dem, was sie machte. Er war noch nicht ganz in der digitalen Welt angekommen.
»Und?«, fragte er.
»Was und? Nichts und. Hier, schau selbst.« Ly beugte sich vor und las, fand aber nichts Auffälliges. Kein besonderer Eintrag, keine Vorfälle. Aber was hieß das schon? Es war eine Akte, nichts weiter.
»Ruf bitte mal in Nghe An auf seiner alten Dienststelle an, und hör dich ein bisschen um.«
»Ly, wirklich.« Lan pfiff ein paar Töne. »Du und dein krankhaftes Misstrauen. Er ist ein Kollege.«
»Na und.«
»Und wenn ich da anrufe, meinst du, er bekommt das nicht mit?«
Ly seufzte tief, sie hatte ja recht. Trotzdem. Er schenkte sich Kaffee nach. Davon konnte er an diesem Morgen nicht genug bekommen.
»Kommt eigentlich Thuy früher von ihrer Reise zurück?«, wechselte Lan das Thema. »Sie ist doch sicherlich beunruhigt wegen der Sache mit Huong.«
Ly zuckte nur mit den Schultern, sah seine Assistentin dabei aber nicht an.
»Ly, hast du ihr gar nichts davon erzählt?«
»Sie ist unterwegs.« Es hörte sich an wie ein Knurren.
»Dann erzähl es ihr halt am Telefon, oder sprecht ihr nicht mehr miteinander?«
Bevor Ly sich verteidigen konnte, was er eigentlich gar nicht wollte, piepste Lans Computer. »Ein Bericht von der Nachtschicht«, sagte sie mit Blick auf den Bildschirm. »Da steht, dass du mehrere Männer zur Barakudabar geschickt hast, um einen Schuppen zu überprüfen.«
»Konnten sie was rausfinden?«
Lan überflog den Text und fasste ihn schnell zusammen: »Der Schuppen hat lichterloh gebrannt. Es gibt keine Zeugen. Die Anwohner hatten schon geschlafen, und die Leute in der Barakudabar waren verschwunden, bevor die Polizei eintraf. Der Schuppen gehört niemandem. Wildbau.«
Wie könnte es anders sein?, dachte Ly. Bei seinem Glück.
»Was hast du da unten gemacht? Ich dachte, du warst mit Huong essen?«, wollte Lan wissen.
»Das war ich auch.«
»Sag nicht, du hast sie in die Barakudabar geschleppt. Das ist doch der Laden mit den russischen Mädels.«
»Russische Mädels, was du schon wieder alles weißt.« Ly goss sich noch eine Tasse Kaffee ein und verließ den Raum. Er hörte Lan in den Flur rufen: »Kannst du mir mal erklären, was hier eigentlich los ist?« Jetzt war es ausnahmsweise mal sie, die sich gereizt anhörte. Er ging nicht darauf ein, sondern zog seine Bürotür hinter sich zu.
*
Sollte Lan doch rumzicken. Ly konnte genauso gut selbst auf Xuans ehemaliger Dienststelle anrufen. Dung, ein alter Freund von der Polizeiakademie, arbeitete seit einigen Jahren in Vinh, der Provinzhauptstadt von Nghe An. Immer wieder hatte er Ly eingeladen, ihn einmal zu besuchen. Aber Ly hatte sich bislang nicht dafür begeistern können, seine freie Zeit in Vinh zu verbringen.
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