Schwarze Schiffe - Kommissar Ly ermittelt in Hanoi
Lotsengeld. Schmuggel. Du hast selbst gesagt, dass auf den Sampans Schmuggelware versteckt wird. Da würde sich der Kreis schließen.«
»Vielleicht. Ich habe alle Einsatzkräfte am Fluss zusammengezogen. Wir überwachen das.« Xuan wandte sich zum Gehen. Bevor er sich verabschiedete, sagte Ly: »Wegen eben. Das tut mir leid.«
Xuan drehte sich noch einmal zu ihm um und klopfte ihm mit der Hand auf die Schulter. »Schon vergessen. Der Fall macht uns alle nervös.«
*
An diesem Nachmittag setzte die Monsunzeit ein. Schwere schwarze Wolken schoben sich zu einer düsteren Masse zusammen. Die Sonne brach nur an wenigen Stellenin einzelnen Strahlen durch. Blitze zuckten. Es war ein Lichtspiel aus Schwarz und Weiß. Dazwischen gab es nichts. Wind kam auf, wirbelte Blätter, Plastiktüten und Sand durch die Luft. Dann fielen die ersten Tropfen, prasselten auf den Boden, trommelten auf die Dächer, schüttelten die Baumkronen, peitschten Blüten und Blätter von den Zweigen. Ly beobachtete das Schauspiel von seinem geöffneten Bürofenster aus. Nass fegte der Wind ihm ins Gesicht.
Es war so laut, dass er sein Telefon fast überhörte.
»Störe ich?«
»Hallo Thanh. Was gibt es?«
»Ich wollte nur deine Stimme hören.«
Ly fühlte einen warmen Strom durch seinen Körper fließen.
»Was machst du gerade?«, fragte er, nur um etwas zu sagen.
»Nichts Besonderes. Ich bin zu Hause. Liebst du diesen Regen auch so?«
»Ja.«
»Ich wäre gerne bei dir«, flüsterte sie.
Ly musste lächeln. Er genoss dieses Kribbeln in seinem Bauch. Aber er fragte sich, was sie eigentlich von ihm erwartete. Sie wusste schließlich, dass er verheiratet war.
Nach nur zehn Minuten war der Regen vorbei. Der Himmel war wieder klar und wolkenlos, und ein warmer goldener Nebel senkte sich über die Stadt.
*
Ly hatte seit dem Frühstück nichts gegessen und viel zu viel Kaffee getrunken. Sein Magen knurrte. Er fuhr zu Minh ins bia hoi .
Huong fand er in der Wohnung im ersten Stock. Sie hing mit Minhs Ältestem vor dem Computer und fuchtelte wild mit einem Joystick herum, sie kicherten und schrien sich irgendwelche Kommandos zu. Ly musste mehrmals ihren Namen rufen, bis sie einen abgehackten Gruß von sich gab. Sie schaute nicht einmal auf. Ly seufzte leise in sich hinein. Dann eben nicht. Er kletterte wieder die schmale Treppe ins Erdgeschoss hinunter und trat auf die Straße.
Dort waren mittlerweile fast alle Tische besetzt. Ly entdeckte Minh an einem Tisch, zusammen mit Xuan.
»Was machst du hier? Du hast versprochen, den Fluss zu patrouillieren«, sagte Ly.
»Sei nicht so unleidlich«, bremste Minh ihn aus.
Xuan hob beschwichtigend die Hände. »Ich esse nur schnell, dann fahr ich wieder raus. Jetzt sind meine Männer auf dem Wasser.«
Eine Platte mit gekochten Taschenkrebsen wurde aufgetragen. Sie aßen schweigend, Minh und Xuan lasen Zeitung. Ly beobachtete einen Ausländer am Nebentisch, der seine Stäbchen wie Messer hielt und die Nudeln mit den Spitzen auffischte. Er schaffte es nicht, sie in den Mund zu balancieren. Sie rutschten immer wieder weg. Plötzlich lachte Xuan schallend auf. »Hört euch das an. Die Chinesen, die spinnen«, rief er und las aus der Zeitung »Jugend« vor: »In Chongqing sind hunderte Polizisten verhaftet worden. Bei einer Großrazzia gegen die Triaden gingen den Fahndern so viele korrupte Polizistenins Netz, dass auf den Wachen ganze Büroflure verwaist sind. Allein von der Hauptwache wurden 700 Beamte abgeführt. Das Präsidium wurde während einer großen Sitzung gestürmt, und die Verdächtigen wurden überfallartig festgenommen. Bislang erpresste und mordete die Saufgelage feiernde Unterwelt der Metropole am Jangtse-Fluss ungebremst. Am helllichten Tag lauerten mit Messern und Macheten bewaffnete Gangster rivalisierenden Banden auf. Sie hackten widerspenstige Flussfischer ebenso zu Tode wie kleine Unternehmer, die keine Schutzgelder zahlen wollten. Die Verbrechersyndikate konnten so unverfroren agieren, weil sie schützende Hände über sich wussten. Die Zusammenarbeit von Kriminellen und Polizei reicht bis in die höchsten Ränge. Der größte Triadenboss soll Chen Yong sein, Direktor der Justizbehörde von Chongqing.«
»Verrückt«, kommentierte Minh.
Ly schnalzte beeindruckt mit der Zunge.
»Du sagst es. Die Chinesen haben schon immer gerne alles auf die Spitze getrieben«, sagte Xuan.
»Ich wundere mich nur, dass dieser Artikel überhaupt gedruckt wurde«, sagte Ly. »Dass sie gar keine
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