Schwarze Schiffe - Kommissar Ly ermittelt in Hanoi
verscheuchen.
Der Junge konnte kaum mit Thanh mithalten. Nach einigen Metern verfing er sich mit dem Fuß in dem herabhängenden Tuch. Es rutschte herunter. Ly starrte auf die Kisten, die auf dem Sackkarren gestapelt waren. Es waren genau solche Whiskykisten, wie er sie im Schuppen bei der Barakudabar gesehen hatte.
Der Junge hob das Tuch auf, breitete es wieder über die Ware und hetzte hinter Thanh her, die jetzt weit vor ihm war. Ly rannte hinter den Markt, wo die xe oms standen, und ließ sich von einer der Motorradtaxen zurück zu Thanhs Wagen fahren. Etwas versteckt in einem Hofeingang hielten sie. Er musste nicht lange auf sie warten. Der Junge hievte die Kisten in den Kofferraum. Thanh setzte den Jeep zurück, wendete und nahm den Weg, der an der Deichmauer entlangführte. Ly ließ seinen xe om -Fahrer folgen, musste ihn jedoch mehrmals ermahnen, nicht zu nah aufzufahren.
Die asphaltierte Straße hörte auf und ging in eine holprige Sandpiste über. Zwischen Thanh und ihnen war jetzt nur ein Lastwagen, der den Gestank von lebenden Schweinen hinter sich herzog.
Sie kamen immer mehr aus der Stadt heraus. Ly fragte sich, wohin Thanh wohl wollte. Hier kam nichts mehr als die Baustelle der neuen Brücke über den Fluss, ein Außenposten des Wasserschutzes, ärmliche Wohnhäuser und Felder. Ohne Vorwarnung trat Lys Fahrer in die Bremse, und Ly stieß mit der Stirn gegen dessen Helm. Im selben Moment krachte die Ladeklappe des Viehtransporters nur wenige Zentimeter vor ihnen auf den Boden.Sie war aus der Verankerung gerissen. Der Laster holperte ein paar Meter weiter und blieb stehen. Dutzende Ferkel rannten quiekend auf die Straße. Es war kein Durchkommen mehr. Ly fluchte. Sie würden Thanh nicht mehr einholen.
*
Am Himmel zogen sich schwarze Wolken zusammen und ließen kaum noch einen Sonnenstrahl durch. Wind kam auf. Gleich würde es regnen. Ly schaffte es gerade noch trocken ins Präsidium.
Ihn quälte der Gedanke, dass seine Sympathie für Thanh, die Tatsache, dass er sich zu ihr hingezogen fühlte, ihn blind gemacht hatte für seine Arbeit. Das konnte doch alles kein Zufall sein. Sampans, die Schmuggelware versteckten, dann der Whisky auf dem Boot vor der Barakudabar und nun auch noch der Whisky bei Thanh. Irgendwelche Schmuggelgeschäfte interessierten ihn an sich nicht. Aber er hatte das ungute Gefühl, dass sie irgendwie in Zusammenhang mit den Morden stand.
*
Ly ging vor dem Zimmer des Parteikommissars auf und ab. Er zündete sich gerade seine dritte Zigarette an, als die Tür aufging, sein Chef in den Gang trat, Ly zunickte und im Treppenhaus verschwand. Ly rannte hinter ihm her.
»Parteikommissar Hung, es ist dringend«, rief er. Diesmal würde er sich nicht so einfach abwimmeln lassen.
Der Parteikommissar blieb stehen, hielt sich die Hand vor den Mund und räusperte sich demonstrativ laut.Doch er fing keine seiner üblichen Tiraden an, sondern ging zurück in sein Büro und setzte sich hinter seinen Schreibtisch. Ly bot er keinen Stuhl an.
»Genosse Ly?«
Ly holte tief Luft, bevor er sagte: »Ich arbeite weiter an meinem Fall.«
Die Augen des Parteikommissars zogen sich hinter den dicken Brillengläsern zu Schlitzen zusammen. Doch bevor der Parteikommissar etwas sagen konnte, redete Ly schnell weiter. »Ich will diese Hoa finden. Und ich werde den Mörder ihrer Schwester stellen.«
»Sie sind zu verbissen. Machen Sie mal Urlaub.«
Ly schnaubte. »Ich lasse mir nicht von einem wie Hai Au meine Arbeit verbieten. Die haben meine Tochter da reingezogen. Ich höre nicht einfach auf zu ermitteln. »
»Ihre Tochter?« Der Parteikommissar erschien Ly für einen Moment ernsthaft besorgt. Zumindest ließ er ihn jetzt in Ruhe ausreden. Kurz und knapp berichtete Ly von dem Boot vor der Barakudabar und von Nguyen Kim Thanh, die er unten am Großmarkt beobachtet hatte. Die Razzia im Golden Riverside erwähnte er allerdings nicht. Der Parteikommissar gab erst ein unwirsches Brummen von sich, bis er schließlich einlenkte.
»Wenn es nicht zu viel Zeit in Anspruch nimmt, dann ermitteln Sie von mir aus weiter. Aber von Hai Au lassen Sie die Finger.«
»Darf ich denn zumindest die Presse bei der Suche nach dem Mädchen einschalten?«
»Sie machen ja sowieso, was Sie wollen.«
*
Ly war an diesem Abend lange im Präsidium geblieben. Er hatte die Überwachung von Thanh angeordnet und mit der Presse gesprochen. Das Foto von Hoa war noch am Abend in den Hauptnachrichten von Hanoi 1 gesendet worden. Am
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