Schwarze Schilde
wollte er einfach nicht glauben, dass ihm ein Barbar überlegen ist.«
»Erzählt mir alles ganz genau«, bat Hael.
Die beiden Nevaner berichteten von den Vorbereitungen der Reise, ihrem Verlauf und dem furchtbaren Ende. Hael unterbrach sie immer wieder, um Fragen zu stellen und ließ sich die gleichen Ereignisse zweimal erzählen, um sie aus verschiedenen Blickwinkeln kennen zu lernen.
»Das ist schlimmer, als ich dachte«, sagte er, als sie geendet hatten. »Der König hat nicht erwähnt, dass Shazad gefangen genommen wurde, weil sie ihn zu retten versuchte, und auch nicht, dass sie seine Offiziere töten ließ.«
»Ich vermag es nicht mit Sicherheit zu sagen«, gab Harakh zu bedenken, »aber als ich an Deck sprang, waren alle tot, und ihre Kriegerinnen standen mit blutbesudelten Waffen herum, obwohl kein einziger Feind zu sehen war. Aber ich muss sagen, dass diese unfähigen Burschen verdienten, was ihnen zuteil wurde.«
»Choula«, sagte Hael, »ich brauche deine besten Karten über den Norden Nevas, auf denen alle Gebiete, die von Omia besetzt sind, markiert sein müssen.«
Der Gelehrte hob eine lederne Tasche auf und legte sie auf den Tisch. »Da sind sie.«
»Haben sich die Omianer in letzter Zeit voranbewegt? Haben sie neue Gebiete erobert?«
»Heute Morgen, berichteten die Boten, dass sie sich noch immer nördlich des Echsenflusses aufhalten.«
»Wie kämpfen sie?«
»Ich wurde eigentlich für Schlachten auf See ausgebildet«, erklärte Harakh, »aber auf der Militärakademie lehrte man uns, dass die Omianer hauptsächlich leichte Infanterie haben: Bogenschützen, Krieger mit Schleudern, Speerwerfer und so weiter. Sie haben wenig schwere Infanterie, und die ist mit langen Speeren und kleinen Schilden ausgerüstet. Es handelt sich um eine schnelle, leichte Armee.«
»Haben sie auch Berittene?«
»Ein paar Lanzer«, antwortete Choula. »Die Anzahl ist unterschiedlich, aber es sind niemals mehr als zwei- oder dreitausend. Der Tradition gemäß haben die Könige von Omia nur eine winzige feste Armee, der Rest der Truppen wird von halbwegs unabhängigen Adligen gestellt. Deshalb ist es ausgesprochen schwierig vorauszusagen, wie viele Männer sie befehligen. König Oland muss die Unterstützung aller Edelleute besitzen, um einen solchen Schritt zu wagen.«
»Die Nachricht der Niederlage im vergangenen Jahr hat ihnen Mut gemacht«, sagte Hael. »Wenn sie von der Schlacht um Floria erfahren, werden sie sicher weitere Übergriffe planen.«
»Der König befürchtet, dass sich Oland und Gasam verbünden. Haltet ihr das für wahrscheinlich?«
»Mehr als wahrscheinlich«, sagte Choula. »Ich glaube, es ist unumgänglich. Da sich beide auf nevanisches Gebiet begeben, könnten sie irgendwann aufeinander stoßen. Es würde keinem von ihnen gut tun, gegeneinander zu kämpfen, ehe nicht König Pashir besiegt ist. Also ist es logisch, sich zu verbünden und andere Streitigkeiten auf später zu vertagen. Wenn Pashir stürzt, wird Chiwa ganz sicher die Hand nach Südneva ausstrecken, und sie wollen den Chiwanern bestimmt vereint entgegentreten.«
Hael grübelte eine Weile vor sich hin. »Unglaublich«, sagte er schließlich. »Mein Pflegebruder Gasam, über den wir früher lachten, weil er sich so überheblich benahm. Ehe er ein böses Ende nimmt, wird er noch die ganze Welt in den Krieg stürzen.«
»Es sind seltsame Zeiten«, bestätigte Choula. »Die Geschichte ist eine ungewisse Sache. Jahrhundertelang zieht sie ohne große Veränderungen dahin. Ein König nach dem anderen regiert, und keiner ist viel besser als der nächste. Ein Land bekämpft ein anderes, in einem anderen bricht ein Bürgerkrieg aus, aber die Geschicke der Menschen bleiben sich gleich.
Dann tauchen machtvolle Menschen auf, und alles ändert sich. Mir ist aufgefallen, dass es sich selten um eine einzelne Person handelt, sondern meistens sind es zwei oder drei gleichzeitig. Du findest Gasam bemerkenswert, aber wie steht es mit dir, mein Freund Hael?« Der Gelehrte deutete auf die Waffen, die an der Wand lehnten. »Als ich dir das erste Mal begegnete, besaßest du nichts außer dem Speer und dem Schwert. Heute bist du an der Spitze von sechstausend Kriegern auf Cabos zurückgekehrt. Du herrschst über ein riesiges Königreich, das du keinem anderen entrissen hast. Du hast ein Königreich erschaffen, wo vorher keines war. Dergleichen ist schon so lange nicht mehr geschehen, dass es nicht nur Geschichte, sondern bereits Legende ist. Also gibt
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