Schwarze Schilde
südlichste Provinz besetzen und sich weigern, sie zu verlassen. Sie versuchen seit Jahrhunderten, dieses Land für sich zu beanspruchen und würden es als Preis für ihre Unterstützung einfordern.
Omia könnte eine richtige Invasion durchführen.
Wenn sie von dieser Niederlage erfahren, muss ich die Grenztruppen sogar noch verstärken.«
»Was bleibt uns dann?« fragte Shazad.
»Etwas, was ich seit dem Verlassen des Schlachtfeldes bedenke.«
Er hob die Stimme. »Choula!«
Der Gelehrte betrat den Raum. »Hoheit?«
»Hol dein Schreibwerkzeug. Du musst einen Brief aufsetzen.«
Choula eilte von dannen und kehrte mit einem Koffer zurück. Er legte ihn auf den Tisch, an dem Pashir und Shazad saßen und öffnete ihn. Dann nahm er Federhalter, Tintenfässer und einfaches Papier zum Vorschreiben heraus. »Ich bin bereit, Hoheit. An wen soll ich den Brief richten?«
»An König Hael der Steppe.« Der Herrscher begann zu diktieren.
KAPITEL FÜNF
H eftiger Schneefall verwandelte den Boden rings um das Langhaus in einen weißen Teppich. Im Inneren herrschte wohlige Wärme. Wie es seine Gewohnheit war, verbrachte König Hael den Winter beim Volk seiner Frau, bei den Matwas. Das Gebäude war bis zum Rand mit Familienmitgliedern, Freunden und Haustieren gefüllt. Ein helles Feuer flackerte im Kamin. Nicht weit davon saß König Hael, der seine kleine Tochter auf den Knien hielt.
Von allen Angewohnheiten seiner Untergebenen missfiel Hael die Sitte der Matwas, sich in ihren Langhäusern zusammenzudrängen, bis man kaum mehr atmen konnte, am meisten. In seiner Inselheimat hatte jeder, der dem Kindesalter entwachsen war, eine winzige Unterkunft sein eigen nennen können. Die Shasinn lebten unter freiem Himmel und suchten nur zum Schlafen, zum Schutz vor Unwettern oder um sich zu lieben, ihre Hütten auf. Die Matwas lebten in einem kalten Land und brauchten die gemeinsamen Unterkünfte, um sich im Winter gegenseitig zu wärmen und einander nahe zu sein. Er würde sich nie daran gewöhnen – aber dieses Leben hatte auch seine Vorteile. Hael ließ das Kind auf den Knien auf- und abhüpfen und stieß unverständliche, zärtliche Laute aus. Er war überzeugt, dass ihn seine Tochter verstand und ihr vergnügtes Krähen ihre Liebe zu ihm ausdrückte.
Seine beiden Söhne krochen irgendwo im Gewirr der unzähligen Beine auf dem Fußboden herum. Seine Schwiegermutter kümmerte sich um das Essen, und Afram, sein Schwiegervater, besserte seinen alten Langbogen aus. Er konnte sich an Haels neumodische Bögen nicht gewöhnen.
»Gib mir die Kleine, ehe sie verhungert.« Auf diesen Befehl hin reichte der König der Steppe den Säugling an die Königin weiter. Sie löste die Schulterspange ihres Gewandes und legte den winzigen Kopf an die Brust. Geräuschvoll begann die kleine Prinzessin zu saugen. Hael legte die Füße auf den Kaminsims und betrachtete Königin Deena voller Bewunderung. Nach Jahren des Kampfes und der Unruhen war es schön, Zeit mit der Familie zu verbringen, auch wenn er dazu den Aufenthalt in dem überfüllten Langhaus ertragen musste.
An der Tür, die sich unterhalb des Giebels befand, entstand ein Gedränge. »Macht Platz! Macht Platz!« Ein kleine Gruppe Krieger schob sich durch die versammelten Matwas. Sekunden später standen drei Amsi in ihrer reichverzierten Lederkleidung vor ihm. Sie hatten einen Mann, der mit der Uniform der königlichen nevanischen Boten angetan war, in die Mitte genommen.
»Wir haben ihn am Fuße der Berge gefunden, unweit des großen Passes. Er war schon halb erfroren.« Der Sprecher war kein Amsi, sondern ein Matwa aus diesem Dorf, der den Winter bei den verbündeten Stämmen in der Steppe verbrachte.
»Ich habe eine Botschaft von König Pashir für König Hael.« Der Bote schaute sich suchend um. »Wo ist er?«
»Ich bin Hael. Gib mir die Botschaft.« Der Nevaner starrte den gutaussehenden jungen Mann in den bunten, gewebten Gewändern entgeistert an – und ebenso die Frau, die neben ihm saß und höchst unköniglich ein Kind stillte. Dann legte er die Kupferrolle in die ausgestreckte Hand Haels.
»Ich danke dir. Du hast eine beschwerliche Reise hinter dir. Ruhe dich aus und lass dir Wein geben. Wir essen bald.«
»Ich danke Euch, Majestät«, sagte der Bote, sichtlich erstaunt über die ungezwungene Atmosphäre. »Ich habe den Befehl, auf Eure Antwort zu warten und sie mitzunehmen.«
»Willst du etwa sofort wieder über die Berge ziehen?«
Der Mann zuckte die Achseln.
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