Schwarze Schilde
Ansehen wird noch größer sein als zuvor! Dagegen haben die Götter sicher nichts einzuwenden.«
»Es wird Euren Wünschen gemäß geschehen, Prinzessin«, antwortete der Priester des Meergottes.
»Dann geht und beeilt euch!« Die Männer verneigten sich und verließen den Baderaum.
Shazad rief nach ihren Sklavinnen und ließ sich Handtücher bringen. Sie war beruhigt. Seit ihrer Kindheit glaubte sie nicht mehr an die offiziellen Götter, aber die Religionen erwiesen sich als nützlich, wenn man das Volk beeinflussen wollte. Die Menschen waren abergläubisch und liebten das prunkvolle Gepränge der Tempelzeremonien, die sich als hervorragendes Hilfsmittel für einen Herrscher präsentierten. Shazad fiel auf, dass sie eine wirkliche Begabung zum Regieren besaß. Die würde sie auch brauchen, denn unter Umständen standen ihr unsichere und gefahrvolle Zeiten bevor. Sie musste noch viel mehr über die außenpolitischen Geschehnisse lernen. Den größten Teil ihres Lebens hatte sie dem Luxus und dem Vergnügen gewidmet – und lief nun Gefahr, alles zu verlieren.
Ihr Leben lang hatte ihr Vater hinter ihr gestanden. Er war mächtiger als jeder andere im Reich. Die klügsten Männer Nevas hatten ihn in politischen und militärischen Fragen als Anführer akzeptiert. Der König war nur eine unwichtige Person von rein zeremonieller Bedeutung gewesen. Als ihr Vater dann König wurde, war es ihr wie die Erfüllung seiner Bestimmung vorgekommen. Endlich verfügte er über den Titel und die Würde des Monarchen, obwohl er dessen Macht schon lange besaß. Ihr war es nur recht und billig erschienen, dass sie die königliche Prinzessin war und nicht mehr wie die farblosen, langweiligen Kreaturen, die Töchter des alten Herrschers.
Damals war ihr Vater ihr wie ein Gott vorgekommen. Jetzt wusste sie, dass er am Ende war. Das Alter holte ihn ein, wie jeden Menschen – gleichgültig, ob arm oder reich. Noch war er stark und lebenslustig und hatte viele Jahre vor sich, aber er schien nicht mehr der Mann zu sein, der er in ihrer Kindheit gewesen war. Nun, er brauchte Hilfe, eine jüngere Person, deren starke Schultern einen Teil der belastenden Macht übernahmen. Sie war bereit, diese Rolle zu übernehmen.
Ihre Gedankengänge brachten sie zu einem beunruhigenden Ergebnis: Auch sie würde altern und schwächer werden. Ihre Schönheit würde dahinwelken und schließlich völlig verschwinden. In letzter Zeit hatte das Schicksal Shazad harte Lektionen erteilt, und heute war es besonders grausam: Schönheit und Jugend waren vergänglich, aber Macht blieb bestehen. Wenn die Alten sie nicht mehr hielten, rissen die Jungen sie an sich. Von nun an musste sie alle ihre Handlungen darauf ausrichten, die Macht zu ergreifen und zu behalten. Sie hatte keine Brüder und war von mächtigen Edelleuten umgeben, die nach dem Thron schielten -Männer, ähnlich ihrem Vater in seiner Jugend.
Shazad wusste, dass sie starke Waffen auf ihrer Seite hatte. Die staatlichen Religionen waren inhaltlos, bloße Zeremonien, die hauptsächlich dazu dienten, die Bürger zu vereinen und den Herrschern möglichst wenig Ärger zu bereiten. Aber es gab auch andere Kulte, von älterer Herkunft und größerer Macht. Sie waren aus gutem Grund gesetzlich verboten. Shazad dachte an das anstrengende Ritual, das sie vor ihrer Abreise vollzogen hatte. Es hatte sie schützen und ihr Erfolg bescheren sollen. Auf dem Heimweg von der Schlacht hatte sie geglaubt, dass ihre finsteren Götter sie im Stich gelassen hatten. Jetzt begriff sie, dass ihr eine Belohnung zuteil wurde, die sie anfangs nicht erkannt hatte. Wäre sie nicht mit der Armee geritten und hätte sie nicht die Niederlage und die Beweise für das allmähliche Nachlassen des Vaters erhalten, würde sie ihre Zukunft nicht so klar vor sich sehen. Und, was wahrscheinlich am wichtigsten war, sie hätte Gasam nicht getroffen. Der Gedanke an den Mann verursachte ihr ein Kribbeln im Magen, und Shazad wusste, dass ihr Schicksal mit dem seinen verbunden war. Einstmals hatte sie ähnlich für Hael empfunden, der dem gleichen Volk wie Gasam angehörte.
Shazad war müde, wollte aber nicht einschlafen, ehe ihr Vater wohlbehalten zurückkehrte. Aus ihrem Kräuterschrank nahm sie ein starkes Aufputschmittel und vermischte es mit verwässertem Wein. Sie nahm ein paar Schlucke zu sich, ging zu einem anderen Schrank und öffnete ihn. Sie holte drei uralte Bücher heraus und blätterte darin. Mit den gesuchten Formeln als Vorlage
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