Schwarze Schilde
bemuskelten Männer verhielten sich wie Einzelteile einer riesigen Maschine, die sie in gewissem Sinne auch darstellten. Nach einer Weile wurde der Gestank jedoch unerträglich, obwohl zahlreiche Diener unaufhörlich Kräuter verbrannten.
An Deck zeigte man ihr die riesigen Geschütze, die weitaus größer waren als alle, die sich im Besitz der Nevaner befanden. Sie erreichten beinahe den Umfang der Katapulte auf den Stadtmauern von Kasin. Die Türme in Bug und Heck ragten zwanzig Fuß hoch auf und konnten, wenn Not am Mann war, mit Hilfe von mitgebrachten Holzbalken schnell erhöht werden. Die Krieger mussten in ihren besten Gewändern vor der Prinzessin paradieren. Unter ihnen waren Bogenschützen, deren Pfeile mit bunten Federn geschmückte Schäfte besaßen, und deren Spitzen aus Vulkangestein bestanden, das wie schwarzes Glas aussah. Die weiblichen Krieger interessierten Shazad am meisten, und sie erkundigte sich nach ihnen.
»Als Kinder werden sie von untergebenen Völkern als Tribut mitgenommen«, erklärte Li. »Sie wachsen in Kasernen auf und kennen nur das Leben im Dienste des Königs. Die Narben auf den Körpern geben die Einheiten an, zu denen sie gehören, und die Narben auf Armen und Beinen zeigen den Rang und die Auszeichnungen im Kampf.«
»Sie können aber nicht so stark wie die Männer sein«, meinte Shazad und kniff in den Oberschenkel einer besonders grimmig aussehenden Kriegerin, die sehr viele Narben besaß, die eher von feindlichen Hieben als vom Armeearzt herrührten. Mit ihrer kleinen Faust versetzte sie dem Bauch der Frau einen Schlag. Er war flach und muskulös und von Narben bedeckt, und es fühlte sich an, als habe sie gegen den mit Reptilhaut bezogenen Schild der Kriegerin geschlagen.
»Das gleichen sie durch ihre gnadenlose Kampfeswut aus«, erklärte Li. »Ihr Leben dient nur dem Kampf. Sie besitzen kein Land, keinen Mann und keine Kinder, um sie von ihren Pflichten abzulenken. Die strengen Rituale nehmen bereits in der Kindheit ihren Anfang, damit sie Schmerzen ohne mit der Wimper zu zucken aushalten können. Als Kinder helfen sie, Gefangene zu verhören und die Verwundeten nach der Schlacht zu töten. Daher sind sie schon erfahrene Kriegsteilnehmer, ehe sie selbst in den Kampf ziehen.«
»Unglaublich«, murmelte Shazad und bewunderte den tränenförmigen Rubin, der an der Brustwarze der Frau baumelte. Diese Sklavinnen waren anscheinend sehr kostbar. Ihr fiel auf, dass die Frauen keine Lippenpflöcke trugen. Das gefiel ihr, denn sie fand die Sitte ausgesprochen abstoßend. »Ich vermute, es ist nicht möglich, ein paar von ihnen zu kaufen?« Das Gesicht der Kriegerin war kantig und breitflächig. Hohe Wangenknochen lagen unter grauen Augen.
»Ich bedauere«, antwortete Li. »Sie gehören dem König. Aber es wird mir ein Vergnügen sein, Euch eine Truppe als persönliche Leibwächterinnen für die Dauer dieses Feldzuges zur Verfügung zu stellen.«
Shazad lächelte strahlend. »Das wäre zu freundlich. Diese hier möchte ich unbedingt dabei haben.« Zum ersten Mal wandte sie sich an die Frau. »Wie heißt du?«
»Blutige Axt«, lautete die Antwort.
»Sie haben keine richtigen Namen«, erklärte Li. »Nur Titel, die sie durch Taten erringen.«
»Die Titel anderer Menschen scheinen sie aber nicht zu achten, wie mir auffällt.«
»Ihr Hochmut ist berühmt. Sie gehorchen ihren Offizieren und verehren den König. Darüber hinaus erkennen sie keinerlei Autorität an.«
Ehe sie das Schiff verließ, stellte Shazad noch eine Frage, die ihr auf der Zunge lag, seitdem sie an Bord gegangen war. »Prinz Li, da Ihr der neunundachtzigste Sohn König Diwaz des Neunten seid und Prinz Matchaz nur der einhundertundfünfundzwanzigste, weshalb steht er im Rang über Euch?«
»Bei uns ergibt sich die Stellung der Prinzen nicht aus dem Alter, sondern gemäß dem Rang ihrer Mütter.«
Die Kriegsdrache wurde wieder längsseits der Galeere gerudert, und die Treppe schwenkte hinüber. Feierlich begaben sich der König, die Prinzessin und ihr Gefolge auf das Flaggschiff. Shazad fiel auf, wie klein es ihr jetzt vorkam, nachdem sie das große Schiff besichtigt hatte. Sie sehnte sich danach, das zeremonielle Kleid abzulegen und wieder die bequeme Segelkleidung anzuziehen, wollte aber zuerst noch mit ihrem Vater sprechen.
In seiner prunkvollen Kabine ließ er sich die Rüstung abnehmen, und Shazad sank auf ein mit Kissen bedecktes Sofa. Ein Leibsklave reichte dem König gekühlten Wein. Sie wusste,
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