Schwarze Schilde
große Mengen Treibholz an Land gespült. Hael bemerkte die ehrfürchtigen Blicke der Fremden, die sie dem Fluss zuwarfen, und ihm fiel ein, dass ihnen der Strom heilig war.
»Verzeihung«, sagte er und glaubte, sich unhöflich verhalten zu haben, »vielleicht war ich voreilig. Gibt es irgendwelche Zeremonien, die ich ausführen muss, ehe ich das Wasser nutzen darf?«
Wieder lächelte Chimay freundlich. »Nein, dieser große Fluss kümmert sich nicht um das, was wir Menschen tun. Es wäre anmaßend zu glauben, wir könnten ihn erzürnen. Aber ich danke dir, weil du so große Rücksicht auf unsere Gebräuche nimmst.«
»Ich gebe mir Mühe, weder die Götter noch Geister anderer Völker zu verärgern und versuche, ihre Sitten zu befolgen; insbesondere, wenn ich in ihrem Land weile.« Hael saß steifbeinig ab. Er hatte den ganzen Tag im Sattel verbracht. Die Schluchtbewohner folgten seinem Beispiel. Die Buckler ließen sich auf die Hinterbeine nieder, und die Reiter rutschen über den Rücken hinunter, ohne dabei im Geringsten ungelenk zu wirken.
»Als wir euch zuerst sahen, wurdet ihr von Webbas begleitet«, erklärte Chimay. »Du musst wirklich viel Geschick haben, neue Freunde zu gewinnen, wenn selbst sie dir wohlgesonnen sind.«
»Seid ihr schon mit den Webbas in Berührung gekommen?« erkundigte sich Hael.
Manwa lachte. »Jeder kommt mit ihnen in Berührung – ob er will oder nicht. Es ist ein schwieriges Volk, das nicht viele Köpfe zählt, dafür aber unbeschreiblich hochnäsig ist. Sie denken, sie seien unbesiegbare Krieger, weil sie diese dummen Vögel reiten, dabei sind sie nichts als Räuber und Diebe. In der Wüste kennen sie sich aber besser aus als jeder andere Stamm, und ihr habt gut daran getan, euch mit ihnen anzufreunden.«
Abends, als sie um die flackernden Lagerfeuer herumsaßen, erzählte Hael von der Reise und den seltsamen Dingen, die sie gesehen hatten: von dem Wächter und der eigenartigen Schrift, und auch von dem See mit der wunderschönen Göttin.
»Wir hörten Legenden über den Wächter, den Steinriesen, der den Pass bewacht«, sagte Chimay, »aber nie von der Oase und der Göttin. Kein Wunder, dass die Webbas dieses Geheimnis hüten. Es muss einzigartig sein.«
»Von dir haben wir auch gehört, König Hael«, sagte Manwa. »Wir treiben regelmäßig mit den Reichen des Südens Handel, selbst wenn wir uns gerade im Krieg mit ihnen befinden. Die Kaufleute erzählten von dem neuen König, der über ein Reich aus vielen kleinen Stämmen herrscht, und dessen Land aus Gras und Hügeln besteht.«
»Was sagen sie über mich?«
Manwa grinste. »Sie sagen, du seiest nicht besonders wohlhabend.«
Hael lachte. »Sie irren sich. Ich habe unzählige Untertanen und Cabos, Dörfer und viel Land. Ich besitze die ausgedehntesten Horizonte, den weitesten Himmel und die schönsten Berge der Welt. Ich habe eine Frau und eine Familie, die ich liebe und der ich vertraue, und das hat noch kein anderer König von sich behauptet.«
»Dann bist du der glücklichste König der Welt«, stellte Chimay fest. Außerhalb des Feuerscheins gaben die Buckler die eigenartigsten Laute von sich. »Bitte erzähle uns, weshalb du so weit reitest und der gefährlichen Wüste trotzt, deine geliebte Königin und deine Kinder zurücklässt und deine ruhmreichen Krieger diesen Strapazen aussetzt, nur um dem König von Neva zu helfen, der weit entfernt lebt und lediglich ein König von vielen ist.«
Das war eine offene Frage, und unter gewöhnlichen Umständen hätte er eine ausweichende Antwort gegeben, aber irgendetwas drängte ihn, die Wahrheit zu sagen. Er schien sich allein mit Chimay zu unterhalten, obwohl auch die übrigen Schluchtbewohner neben ihnen saßen. Hael erzählte von seiner Kindheit auf der Insel und von Gasams Quälereien. Er erzählte, wie er nach Neva gesegelt war und Pashir kennen gelernt hatte. Er erzählte, welch böser Kern in Gasam wohnte.
Die Fremden lauschten aufmerksam und schwiegen noch lange Zeit, nachdem er geendet hatte. Dann ergriff Manwa das Wort.
»Es ist gut, von einem Mann, der mehr Verbindung zur Außenwelt hat, zu hören, was dort vor sich geht. Die meiste Zeit müssen wir uns auf Erzählungen aus dritter Hand verlassen, auf Gerüchte und Geschichten, die uns die Kaufleute mitteilen, die oftmals alles ausschmücken, um ihre Ware noch besser verkaufen zu können. Vielleicht können wir dir eine wichtige Neuigkeit berichten.« Er wandte sich an einen jungen Mann, der neben ihm saß.
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