Schwarze Schilde
Streifling lag zappelnd am Boden.
Einer der Schluchtbewohner erhob sich und ging zu dem Tier hinüber, das nach wenigen Sekunden reglos liegen blieb. Er kehrte zurück und zog es an den Hinterbeinen hinter sich her. Im Licht des Feuers untersuchte Hael den Streifling. Das Tier war wie von einer Lanze durchbohrt, mit einem kleinen Eintrittsloch auf der einen und einem großen Austrittloch auf der anderen Seite. Hael sah zerschmetterte Knochen und Fleischfetzen herabhängen. Der beißende Geruch des verbrannten Pulvers lag noch in der Luft.
»Wie hast du das gemacht?« wollte Hael wissen. Er nahm die Waffe entgegen und untersuchte sie eingehend. Sie war überraschend leicht. Das Rohr bestand aus einem keramischen Material, das bedeutend härter als alle vergleichbaren, Hael bekannten Stoffe waren. Als er mit dem Dolchgriff dagegen klopfte, hörte es sich hohl an. Manwa öffnete eine winzige Klappe, hinter der sich ein Mechanismus befand, der aus ein paar kleinen Bronzeteilchen und einer einzigen gebogenen Stahlfeder bestand.
»Diese kleinen Kugeln«, erklärte Manwa und hielt eine in die Höhe, »blitzen augenblicklich auf, wenn sie von der Bronze getroffen werden. Die Flamme springt durch das winzige Loch und setzt das Pulver in Brand, das sich im Rohr befindet. Dadurch wird der Ball mit gewaltiger Kraft aus dem Rohr gestoßen. So kann man jedes Tier töten und jede Rüstung durchschlagen.« Er warf Hael einen der mörderischen Bälle zu, den dieser auffing. Er war ungefähr so groß wie die Spitze seines Daumens und ziemlich schwer für die geringe Größe.
»Wenn möglich, nimmt man Blei«, fuhr Manwa fort.
»Manchmal benutzen sie auch Ton, aber die Bälle sind leichter, weniger tödlich und werden meistens für die Jagd gebraucht.«
»Sehr eindrucksvoll! Der Knall und der Blitz wirken furchteinflößend«, gab Hael zu. »Aber es geht sehr langsam vonstatten. Ein Bogenschütze kann in der Zeit, die du zum Laden und Feuern gebraucht hast, zehn Pfeile abschießen.«
»Das finde ich auch«, meinte Manwa, »aber der Händler erklärte uns, dass im Osten ganze Armeen diese Waffen benutzen, und sie vernichten alles, was sich ihnen in den Weg stellt. Man darf die Waffen nicht außer Landes schaffen und verkaufen, aber der Händler schmuggelte sie über die Grenze und hoffte, ein Vermögen zu verdienen, weil er sie an einen fremden König verkaufen wollte.«
»Sind die Armeen des Ostens schon einmal in diese Richtung gekommen?«
»Wir wissen nur, was uns die Kaufleute berichten. Wie ich schon sagte: Man kann ihnen nicht alles glauben. Aber die Bevölkerung des Ostens scheint derart angewachsen zu sein, dass ihr Land sie nicht alle ernähren kann, und sie breiten sich immer weiter aus.«
Hael gab die Waffe zurück. »Ich verstehe noch immer nicht, was an diesem Ding so schrecklich sein soll.«
»Der Ball ist so klein und fliegt so schnell, dass er fast unsichtbar ist«, klärte ihn Chimay auf. »Er ist auch auf große Entfernung tödlich, wenngleich es schwierig ist, ein mehr als hundert Schritt entferntes Ziel zu treffen.«
»Darüber muss ich gründlich nachdenken«, antwortete Hael. »Ich danke euch, dass ihr mir die Waffe gezeigt habt. Bestimmt wird es sich eines Tages lohnen, nach Osten zu reisen, nur um zu sehen, wie man mit diesen Dingern kämpft.«
Des Nachts dachte er lange nach. Wie jeder gut ausgebildete Krieger, sah auch Hael die vielen Nachteile der neuen Waffe: Sie war unhandlich, langsam und hatte nur eine geringe Reichweite. Außerdem wirkte sie ausgesprochen hässlich. Das waren die Gedanken eines Kriegers. Er zwang sich, wie ein König zu denken und stattete im Geiste eine Armee mit den ungewöhnlichen Neuerungen aus. Wo lagen die Vorteile?
Als erstes fiel ihm die Haltbarkeit ein. Die Bögen, die seine Männer benutzten, waren empfindlich und geradezu launisch. Sie bedurften der besten Pflege und des Schutzes vor der Witterung. Das Feuerrohr wirkte schlicht und sah aus, als benötige es kaum Pflege. Man brauchte nur wenig Metall, aber Hael hatte keine Ahnung, woher das keramische Material stammte. Vielleicht ließen sich diese Waffen preisgünstig herstellen. Erst einmal angefertigt, musste man sie sicher selten ersetzen. Die Bögen brachen nach ein paar Jahren stetiger Nutzung auseinander, und Pfeile waren teuer und schwierig herzustellen. Blei- oder Tonbälle waren billig und konnten sicher mehrmals verwendet werden.
Soweit die Vorteile der Waffe. Und die Bedienung? Dieser Punkt war viel
Weitere Kostenlose Bücher