Schwarze Schmetterlinge
Sein verwirrter Zustand ist im erhöhten Kalziumwert begründet. Der Tropf soll helfen, den Wert zu senken.«
Sie machte ein entschuldigendes Gesicht, als wollte sie sagen, dass die Verschlechterung nicht ihre Schuld sei. Per hielt sich mit der Hand am Türrahmen fest und spürte plötzlich, wie die Wut in ihm hochkochte.
»Sie sind verpflichtet, mich zu informieren. Ich wäre nicht weggefahren, wenn ich gewusst hätte, wie schlecht es ihm geht.«
»Wir haben noch auf die Ergebnisse des CTs gewartet, vorher konnten wir nichts sicher sagen. Es ist doch besser, wenn man auch gleich eine Behandlung anbieten kann.«
»Und was haben Sie jetzt vor?« Die Stimme klang feindselig, aber er hatte keine Kraft, seine Gefühle zu unterdrücken. Seine eigene Scham, seine Trauer und seine Verlorenheit.
»Alle vier Stunden bekommt er Morphium und Kortison gegen die Schwellung im Gehirn. Und Antibiotika. Wenn nötig, können wir die Sauerstoffzufuhr erhöhen.«
»Hat er denn etwas gegessen? Sie haben ihm doch hoffentlich geholfen, etwas zu essen, oder? Wie war seine Temperatur? Achten Sie darauf, dass er nicht allein auf die Toilette geht? Ich begreife nicht, wie man in einem Krankenhaus hinfallen kann.« Per feuerte eine Batterie von Fragen ab und fühlte sich entsetzlich nervig. Im Versuch, Kontrolle über sein schlechtes Gewissen zu erhalten, klammerte er sich an Fakten fest. Was gibt es noch, was ich als Angehöriger noch nicht erfahren habe, weil es erst zwischen Fremden, Ärzten, die uns nicht kennen, diskutiert werden muss? Verdammt! Hier war kostbare Zeit verschwendet worden, vielleicht die letzten Stunden, die sie zusammen hatten. Die zurückhaltende und geduldige Antwort der Krankenschwester machte ihn wütend. Man musste doch noch mehr tun können! Sofort! Etwas, das ihnen noch mehr Zeit schenkte.
»Er schläft jetzt. Es sieht so aus, als ginge es ihm ganz gut«, sagte sie, als ob sie seine Gedanken gelesen hätte. Sie sah müde aus. Er bemerkte es erst jetzt, da sie nicht mehr lächelte.
»Entschuldigung. Ich kann verstehen, wenn Sie mich anstrengend finden.«
»Ist schon in Ordnung. Wenn Sie wollen, machen wir Ihnen hier drin ein Bett. Ein Feldbett ist alles, was wir bieten können. Wenn Sie Hunger haben, machen wir Ihnen später, wenn es auf Station etwas ruhiger geworden ist, gern Kaffee und ein paar Brote.«
»Danke.« Als Per Folkes Arm berührte, schlug dieser die Augen auf, und sein Blick irrte umher. Die Hände tasteten über die Bettdecke und kriegten den Schlauch vom Tropf zu fassen. Binnen Sekunden hatte er ihn um sein Handgelenk gewickelt und es geschafft, die Nadel herauszuziehen. Das Blut rann über die Hand und auf die weiße Bettwäsche. Folke jammerte laut. Blitzschnell war er auf dem Weg aus dem Bett heraus. Die andere Hand packte den Schlauch vom Urinkatheter. Per konnte gerade noch verhindern, dass Folke ihn herauszog.
»Hast du Schmerzen?« Per kriegte die Klingel zu fassen. Es dauerte einige Minuten, bis jemand kam. Die Schwester klebte schnell ein Pflaster auf die Einstichstelle, legte eine Morphiumtablette auf Folkes Tisch und verschwand wieder auf dem Flur. Es sei gerade ein Patient eingeliefert worden, dem es sehr schlecht gehe und um den sie sich kümmern müsse. Per setzte sich auf die Bettkante und versuchte, Folke Wasser einzuflößen. Er bekam es in die falsche Kehle, hustete und rang nach Luft.
»Hilf mir! Ich will nicht mehr. Ich kriege keine Luft.« Wieder die Klingel. Einer der Weißkittel kam hereingerannt und verschwand wieder, um die Schwester zu rufen. Dann kam er zurück und erhöhte die Sauerstoffzufuhr. Folke verhedderte sich mit den Beinen im Katheterschlauch, schlug das Wasserglas beiseite, sodass es auf dem Boden zersprang. »Hilf mir!« Die Augen, die gar nichts mehr zu sehen schienen, traten aus dem Kopf hervor. Per hielt ihn im Arm, um zu verhindern, dass er sich noch mehr wehtat. Drückte wieder auf die Klingel.
»Ich kriege die Tablette nicht in ihn rein.« Die Schwesternhelferin verschwand auf dem Flur und kam in dem Moment zurück, als Per erneut die Klingel betätigen wollte.
»Die Schwester ist gerade nicht abkömmlich. Sie kommt, sobald es geht.« Per versuchte es wieder mit der Tablette. Folke behielt sie im Mund, schluckte aber nicht. Damit er sie nicht in die falsche Kehle bekam, holte Per sie wie bei einem kleinen Kind mit dem Zeigefinger wieder heraus.
»Hilfe! Ich will nicht mehr leben. Per, ich will nicht mehr!« Folkes Blick war jetzt ganz nah
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