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Schwarze Schmetterlinge

Schwarze Schmetterlinge

Titel: Schwarze Schmetterlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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und wild. Seine Augen waren rot. Der Atem ging immer schneller. »Es tut so weh! So entsetzlich weh. Sie haben versprochen, dass ich keine Schmerzen haben muss!« Er wand sich und war drauf und dran, sich wieder aus dem Bett zu kämpfen.
    »Die Schwester kommt gleich und setzt eine neue Braunüle.« Per klingelte wieder und erhielt dieselbe Antwort wie schon zuvor. Die Schwester sei zusammen mit dem Narkosearzt bei einem Patienten, dem es sehr schlecht gehe. Eigentlich müsste es zwei Nachtschwestern geben, aber die andere Stelle sei aufgrund von Sparmaßnahmen gestrichen worden.
    Langsam bewegte sich die Nacht in Richtung Dämmerung. Nach einer höllischen Stunde tauchte sie auf. Setzte eine neue Braunüle und spritzte Morphium.
    »Es gibt keinen besseren Vater als dich. Du bist der beste«, flüsterte Per in Folkes Ohr und lehnte sich dann zurück. Die Müdigkeit brannte im Körper. Ihm war, als sei nur ein kleiner Moment vergangen, als er mit einem Ruck erwachte. Die Nachtschwester hatte die Tür einen Spalt aufgemacht und ließ den Lichtkegel der Taschenlampe über Folkes Gesicht gleiten, um zu sehen, ob die Sauerstoffmaske richtig saß. Dann fiel wieder die sanfte Dunkelheit über das Zimmer.
    Gegen halb vier erwachte Per von einem lauten Rums. Es dauerte ein paar Sekunden, bis er begriff, wo er sich befand, und noch einmal ein paar Sekunden, ehe er den Lichtschalter fand. Folke lag splitternackt auf dem Fußboden. Der Schlauch vom Katheter, der am Bett befestigt war, war bis zur Schmerzgrenze gespannt. Die Sauerstoffmaske lag im Bett, ebenso Folkes Nachthemd.
    Die Nacht ging langsam in den Tag über. Die Weißkittel wechselten die Gesichter. Ein neuer Morgen, sonnig und satt von den Farben des Herbstes, suchte sich einen Weg durch das Fenster. Folkes Atem erfüllte den Raum, Atemzug für Atemzug, rasselnd und langgezogen. Lange Zwischenräume, ein schweres Seufzen und dann mehrere Atemzüge hintereinander.
    Die folgende Nacht war ebenso unruhig. Lass mich sterben, erspar mir das hier. Tage und Nächte flossen zusammen. Die Gespräche mit Felicia wurden immer kürzer und unzusammenhängender. Sie könne ihn verstehen, sagte sie. Vielleicht war es so.
    Als Pernilla am fünften Tag kam, um ihn abzulösen, fuhr er widerwillig nach Hause, um zu duschen. Das Wasser rieselte über seinen Körper. Per merkte, dass er fror, obwohl das Wasser kochend heiß war. Er zog sich saubere Kleider an und fuhr wieder ins Krankenhaus. Alles war unverändert. Pernilla musste wieder nach Örebro zurück. Er umarmte sie fest und lang. Meine Schwester, meine eigene Schwester. Die Dankbarkeit im Schweigen. »Verstehst du mich jetzt?«, hatte sie ihn gefragt, ehe sie die Tür zum Zimmer geschlossen hatte. Er hatte ihr über die Wange gestreichelt. Wie sollte er sie verurteilen, weil sie Helen über die Grenze geholfen hatte? Gerade jetzt wünschte er sich nichts mehr, als dass das Leiden ein Ende finden möge.
    Und dann war es zu Ende. Einer der Atemzüge wurde der letzte. Die Stille, das Warten und der Atemzug, der nie kam, wurde zu einem Schrei zwischen den kahlen Wänden. Das Ende, das so aufwühlend und gleichzeitig so ersehnt war. Der Gedanke barg ein vages Schuldgefühl und auch Erleichterung.
    Per ging voller Gefühle und leer an Gedanken ins Tageslicht hinaus. Er spazierte unter den Ahornbäumen am Fluss entlang und rief Felicia an. Sie sei nicht erreichbar, teilte man ihm im Krankenhaus mit. Er wählte die Nummer von Pernilla. Svennes Stimme klang angespannt und seltsam. Per meinte, im Hintergrund eine Frauenstimme zu hören.
    »Ist Pernilla nicht bei dir?«, fragte er.

26
    Kronviken lag in Herbstdämmerung gehüllt da. Kriminalinspektorin Maria Wern sah aus dem Fenster, an dem das Regenwasser in einschläfernden Wellen herunterlief. Die Gedanken, die eigentlich auf die Anzeige konzentriert sein sollten, die sie vor sich auf dem Schreibtisch liegen hatte, wanderten unwillkürlich immer wieder zu dem unerwarteten Zusammentreffen mit Per Arvidsson zurück. Eine Begegnung, die alles wieder aufgewühlt hatte, was doch abgeschlossen sein sollte. Das Gefühl, das so geheim war, dass sie es vor sich selbst verborgen hatte, war in diesem Moment so deutlich geworden.
    Jetzt, da er nicht mehr zu haben war, konnte sie sich gefahrlos den Tagträumen hingeben. Konnte es sich leisten, sich vorzustellen, was gewesen wäre, wenn … wenn sie ihm ihre innersten Gefühle offenbart hätte. Ihre Sehnsucht nach Nähe, aber auch ihre Angst und ihre

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