Schwarze Schmetterlinge
Folke am Telefon angedeutet hatte.
Eine Woge von Krankenhausgeruch aus Kaffee, aufgewärmtem Essen, Urin und Putzmittel quoll ihnen entgegen. Das Bett in Zimmer 16 war leer. Ein langer Schlauch führte vom Sauerstoffgerät ins Badezimmer. Per klopfte an und öffnete die Tür, als er ein ersticktes Geräusch hörte. Drinnen lag sein Vater auf dem Fußboden, den Kopf in einer Blutlache.
»Was ist passiert?«
»Ich kann nicht atmen, ich krieg keine Luft!«
Die Sauerstoffvorrichtung war unter der Tür hängengeblieben und lag unter dem Waschbecken. Felicia half ihm mit dem Gerät. Dann richteten sie ihn auf, sodass er sitzen konnte, und stellten fest, dass er Nasenbluten hatte. Felicia drückte über der Nasenwurzel und schob seinen Kopf nach hinten.
»Ich musste aufs Klo, und die Luft war einfach alle. Mir wurde schwindelig, und dann erinnere ich mich an nichts mehr.«
Mit vereinten Kräften führten sie Folke zurück ins Bett. Felicia drehte den Sauerstoff auf vier Liter hoch, nachdem sie Folkes blaue Lippen und die dunklen Nägel gesehen hatte. »Und wie fühlen Sie sich jetzt? Tut Ihnen etwas weh?«
»Der Kopf. Mir ist so übel. Ich schäme mich so. Ich wollte doch nicht, dass ihr mich so seht, eingenässt und erbärmlich. Nein, jetzt lasst mal die Pfleger ran, die sollen mir mit den Kleidern helfen. Etwas Würde will ich noch behalten.«
Nachdem er Schmerztabletten bekommen und ein schnelles Röntgenbild vom Kopf gezeigt hatte, dass es keine inneren Blutungen gab, war Folkes dringendster Wunsch gewesen, eine Runde Bingolotto zu spielen. Per, der sich innerlich darauf vorbereitet hatte, die Prognosen der Krankheit und andere tiefschürfende Fragen über das Leben zu verhandeln, war ein wenig unruhig. Die Musik der Tanzcombo bedrückte ihn. Wer will denn schon einen Jahresverbrauch an Klopapier und eine Fahrt in die zugehörige Papierfabrik gewinnen? Aber Felicia konnte loslassen. Sie vergrub sich im Sessel, legte die Beine auf einen Hocker, wickelte sich in ihren Mantel ein und schlief. Per wollte gerade fragen, ob sie einen Kaffee wollte, als er bemerkte, dass sie die Augen geschlossen hatte.
»Ich freue mich so für dich, dass du jemanden gefunden hast«, flüsterte Folke. »Wer auf etwas Gutes wartet, der wartet nie zu lang. Du hast dich eben nicht mit dem Erstbesten zufriedengegeben, Per. Bist du glücklich?«
»Ja.« Er war seltsam gerührt.
»Dann bin ich es auch.« Folke versuchte, seine Hand an die Wange des Sohnes zu heben, aber sie fiel kraftlos zurück auf die Decke. Per nahm die ausgestreckte Hand und vollendete die Geste. »Es ist die beste Linderung, die ich bekommen könnte: zu wissen, dass du es gut hast. Wirst du, ehe du nach Örebro zurückfährst, bei Mama vorbeigehen und nach ihr sehen?«
»Ich wollte eigentlich bei dir bleiben.«
»Nein, das will ich nicht. Vielleicht später, wenn ich auf eigenen Wunsch nach Hause entlassen werde. Dann wäre ich dir dankbar dafür, aber jetzt noch nicht. Fahr lieber mit Felicia nach Rom. Nichts macht mich glücklicher als zu wissen, dass es dir gut geht und du etwas Nettes unternimmst. Du kannst ja nicht ewig warten, bis ich sterbe, ehe du mal etwas Schönes machst, oder?«
Der Regen schlug gegen die Windschutzscheibe, und der Wind packte sie, als sie am Sonntag aus dem Auto stiegen, um vor der Rückfahrt nach Örebro in der Goldenen Traube zu Mittag zu essen. Den Vormittag über hatte Felicia Vater und Sohn allein gelassen, damit sie unter vier Augen miteinander sprechen konnten, und dann hatten sie Britt besucht und waren noch bei Pers Elternhaus vorbeigefahren, wo sie auch übernachtet hatten.
Sie bestellten sich das Tagesgericht, pochierten Lachs in Weißweinsoße. Per betrachtete Felicia, wie sie die Kerze auf dem Tisch anzündete und mit dem Finger über der Flamme spielte.
»Du bist so schweigsam. Woran denkst du?«, fragte er.
»An dich. Dass es doch seltsam ist, dass du nicht verheiratet bist und fünf Kinder und eine wunderbare Frau hast, ein Haus und ein Auto und ein Sommerhäuschen mit Satellitenschüssel. Die Anwärterinnen auf das Amt der Frau Arvidsson müssten doch eigentlich Schlange stehen. Es müsste einen ganzen Harem lebendiger Frauen geben, und nicht nur längst verstorbene Jazzsängerinnen.«
»So war es aber nicht. Die Nachfrage war eher mäßig bis schwach. Und dann kam ein Tornado.«
»War ich das?«
»Ja.« Er musste laut über ihre selbstzufriedene Miene lachen. »Jetzt hast du meine Familie gesehen. Aber
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