Schwarze Schmetterlinge
nach seiner Ankunft an einem massiven Herzinfarkt gestorben war. Bis vor wenigen Minuten hatte man gedacht, dass sein Anruf seinem eigenen Gesundheitszustand gegolten hatte und dass er einen Krankenwagen hatte rufen wollen.
Um 16.48 Uhr war ein weiterer Notruf aus derselben Gegend eingegangen. Eine Fußballmannschaft von jungen Mädchen auf dem Weg zu einem Auswärtsspiel in Gävle hatte an dem Rastplatz haltgemacht. Unten am Wasser hatte eines der Mädchen einen makabren Fund gemacht. Hartman hielt es für wahrscheinlich, dass Stig Julin dasselbe gesehen hatte. Direkt neben der Leiche lag nämlich ein Spazierstock, auf dessen Griff die Initialen SJ eingraviert waren.
Die Stimmung auf dem Rastplatz war aufgeregt. Die Polizei hatte die Umgebung noch nicht absperren können. Die Fußballmädchen, die in einem Halbkreis um den Fundort standen, hatten sicher jede Menge Spuren plattgetrampelt. Maria ermahnte sie, sich in den Bus zu begeben und dort zu warten. Dann ging sie mit dem Mädchen, das die Leiche gefunden hatte, beiseite. Nach einigen tröstenden und erklärenden Worten schaltete sie das Aufnahmegerät ein.
»Verhör mit Sofia Lindström. Wir befinden uns auf dem Rastplatz am Südende von Kronviken. Es ist 17.13 Uhr am 13. Oktober. Anwesend ist Kriminalinspektorin Maria Wern. Bitte erzähl mir mit eigenen Worten, was geschah, als ihr angehalten habt und du ausgestiegen bist.«
»Sie lag einfach da. Oder die Hand jedenfalls. Oh Gott, war das furchtbar. Wir haben den Plastiksack nicht angerührt.«
»Das war vernünftig von euch.« Maria legte den Arm um das Mädchen, das in seiner dünnen Windjacke so zitterte, dass die Zahnspange klapperte. Als es die Wärme spürte, beruhigte sich das Mädchen ein wenig, und die Stimme wurde fester.
»Als der Bus angehalten hatte, musste ich auf die Toilette, aber die war so eklig. Total widerlich! Es stank total nach Pisse, und einer hatte gekotzt, die Brille war jedenfalls total schmutzig. Deshalb bin ich da hinten in die Büsche gegangen. Ich hab mich gerade hingehockt, als ich die Hand sah. Fingernägel mit Trauerrändern. Total schrecklich war das! Ich hab geschrien und bin zum Bus raufgerannt. Die anderen haben mir erst mal nicht geglaubt. Der Fahrer wollte den Bus starten und weiterfahren, ohne nachzusehen. ›Du lügst‹, hat Linda Bengtsson gesagt, aber sie hat es sich trotzdem angeguckt. Und dann musste sie zugeben, dass ich recht hatte.«
Kriminaltechnikerin Erika Lund arbeitete im Licht der Scheinwerfer, die in den Erlen am Wasser angebracht waren. Außerhalb des Lichtkegels wurde die Dunkelheit immer dichter. Ein Fotoblitz fing für eine Sekunde die weiße Haut der Frauenhand ein.
»Solltest du nicht langsam nach Hause fahren?«, wandte sich Erika an Maria. »Morgen ist auch wieder ein Arbeitstag. Du solltest deine Kräfte dafür aufsparen.«
»Stimmt.« Maria spürte den Widerstand im ganzen Körper. Noch eine Nacht voller Anspannung, im Warten auf die unvermeidliche Trennung. Und dann?
»Fährst du noch im Revier vorbei, oder gehst du direkt nach Hause?« Erika hielt ein paar Plastiktüten gegen das Licht. Maria sah unentschlossen aus. »Ich finde, du solltest zusehen, dass du nach Hause kommst. Nimm ein Bad und geh ins Bett.«
Erika hatte recht, Maria würde das Verhör auch am folgenden Tag niederschreiben können. Sie fühlte sich wirklich erschöpft, hatte mittags nicht mehr als einen Joghurt gegessen, und das war auch schon viele Stunden her. Hartman hatte den Ort schon vor ungefähr einer Stunde verlassen. Wenn sie ein wenig Schlaf finden würde, dann würde sie am nächsten Tag effektiver arbeiten können. Vielleicht früher ins Büro fahren, wenn Krister die Kinder wegbrachte.
»Jetzt fahr mal nach Hause. Du bist nicht unentbehrlich.« Obwohl es fast Mitternacht war, brannte im Küchenfenster des gelben Hauses am Meer noch Licht. Wenn nur Krister nicht auf war und wartete, dachte Maria und biss sich durch den Lederhandschuh auf die Fingerknöchel. Jetzt konnte sie keinen Konflikt gebrauchen. Das letzte Mal, als das Küchenfenster erleuchtet war, als sie nach Hause kam, hatte er betrunken dagesessen und ihr lauter seltsame Vorwürfe gemacht, obwohl er sehr wohl wusste, dass sie mit ihren Kollegen auf dem Geburtstagsfest von Erika gewesen war. »Man schließt von sich selbst auf andere«, hatte sie ihm geantwortet und war ins Bett gegangen. Am nächsten Tag hatte er sich entschuldigt. Aber die Beschuldigungen waren doch ausgesprochen.
Um
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