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Schwarze Schmetterlinge

Schwarze Schmetterlinge

Titel: Schwarze Schmetterlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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über die Wange des kleinen Bruders. »Pyret, kannst du mal kurz auf ihn aufpassen? Ich bin gleich zurück. Wenn es zu kalt wird, geht ihr einfach nach Hause, ja? Aber trag ihn ja vorsichtig. Und pass auf, wenn ihr über die Straße geht! Hörst du? Hörst du, was ich sage?« Pyret wich vor dem Atem zurück und vor den Augen, die ihr so nah kamen, ihren eigenen Blick einfingen und festhielten. »Ich bin gleich zurück. Bleib hier.« Pyret stand auf und klammerte sich an Mamas Bein fest. »Nein, du darfst nicht mitkommen. Du bleibst hier. Wenn du hinter mir herkommst, kriegst du Schläge.«
     
    Mamas Hände waren jetzt böse. Sie gruben sich in ihre Schulter und schubsten Pyret weit von sich. Pyret fiel auf den Rücken und starrte in den Himmel. Sie stürzte in einen Strudel, ins Meer, wo es keine Gedanken gibt, nur Wellen der Übelkeit und der Dunkelheit. Sie spürte den Geschmack des Salzwassers auf ihrer Zunge. Der kleine Bruder schrie. Zwang sie aus der Tiefe herauf.
     
    Pyret erhob sich mit steifen Bewegungen und drückte den Schnuller in seinen Mund. Eigentlich hätte er Schläge verdient.
     
     
    Sie verschwanden im Fichtenwäldchen, drei Schattengesichter und Mama. Die Bösen Grauen hatten sie in ihre Gewalt gebracht, um sie auszuwechseln. Das war schon öfter passiert. Wenn Mama wieder nach Hause kam, dann würde der Körper dieselbe Hülle wie vorher haben, aber er würde hin-und herschwanken und auf dem Boden herumkriechen. Die Beine, die den Körper aufrecht halten sollten, die Augen, die sehen sollten, der Mund, der reden sollte – all das hatten die Wesen mitgenommen. Damit sie nicht wie ein Zelt ohne Stangen zusammenfiel, füllten die Bösen sie immer mit Klebstoff aus – deshalb musste sie sich auch übergeben.
     
    Pyret warf einen Blick auf den kleinen Bruder. Er lag da und sah in den Himmel hinauf, wo die Wolken zusammenstießen und zu immer größeren weißen Wattebäuschen wurden und neue Figuren bildeten: einen Löwen, der sich in eine Hexe verwandelte, eine zusammengerollte Katze oder eine Zimtschnecke. Dann kam ein Bagger, der Zuckerwatte aß. Pyret war so hungrig, dass ihr der Bauch wehtat.
     
    »Mama, geh nicht weg!« Auf nackten Füßen rannte sie den Weg über die Düne zum Wäldchen. »Geh nicht weg, sonst sterbe ich! Ich will nicht allein sein!« Nadeln und trockene Äste stachen ihr in die Fußsohlen. Eine Ameise saugte sich auf ihrem Fuß fest und weigerte sich, loszulassen, ehe sie nicht stehen blieb und sie mit dem Finger wegschnippte. »Mama, warte auf mich!«
     
    Pyret blieb stehen und horchte. Eine Mücke summte direkt neben ihrem Ohr, ein Eichhörnchen sauste vor ihr den Stamm hinauf, dass die Rinde laut raschelte, und machte einen gewagten Satz zum nächsten Baum hinüber. Unten am Strand schrie wie besessen ihr Bruder, der Außerirdische. Sollte er doch da liegen und brüllen. Der kapierte sowieso nichts.
     
    Unter dem graugrünen Dach der Fichten war es dunkel und kalt. Die Füße konnten nicht stillstehen, wenn überall Ameisen herumkrochen. Plötzlich hörte sie das Geräusch. Es kam stoßweise, in regelmäßigen Abständen, und klang wie ein Schwein, das sich auf dem Boden herumsuhlte. Im Moos fiel es ihr leichter, sich lautlos anzuschleichen, als auf dem Weg. Die Geräusche wurden immer lauter. Hinter einem Gestrüpp von wilden Himbeeren kauernd sah sie ein Hinterteil, das sich auf und ab bewegte. Mamas geblümter Rock, ein Lappen nur, ganz unten in einem Berg von Armen und Beinen. Die Wesen standen rechts und links von dem Paar auf der Erde. Jetzt konnte sie ihre Gesichter sehen, wie grinsende Wölfe.
     
    »Na, willst du noch was zu trinken?« Ein kurzer Blick auf Mamas Gesicht. Sie hielten sie fest. Sie taten ihr weh. Mama wimmerte. Pyrets Körper spannte sich an und ging in die Verteidigungshaltung. Wenn sie ein Riese wäre, hätte sie alle wie Käfer zertreten und zu einem blutigen Brei gequetscht. Aber sie war nur ein kleines Mädchen mit ungewöhnlich mageren Armen. Der Zorn, der durch ihren Körper rauschte, verwandelte sich in Tränen. Sie hätte schreien, treten und sie beißen mögen, sie blutig kratzen. Aber sie hatte den Mut nicht. Nur das Weinen war da und die Verachtung, die in ihr brannte, weil sie es nicht wagte, weil sie es nicht schaffte, den Menschen zu verteidigen, den sie am meisten liebte. Mama, ihre geliebte Mama, lag da auf der Erde. Ihr Blick war verschwommen und verriet, dass sie nicht länger in ihrem Körper war. Pyret weinte

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