Schwarze Schmetterlinge
gewesen sein. Oder jemand, der ihn mit einer anderen Person verwechselt hat. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand einen Grund haben sollte …«
»Und Sie haben in der letzten Zeit auch keine Veränderung an ihm bemerkt? War er ängstlicher oder aufgekratzter oder schweigsamer als sonst?« Arvidsson stellte fest, dass Stenssons eigene Stimme und sein Sprechtempo sich der langsamen, wohlartikulierten Redeweise der Frau anpassten.
»Ich versichere Ihnen, wenn Frank über irgendetwas beunruhigt gewesen wäre, dann hätte er es nicht gezeigt. Es war ihm so viel daran gelegen, dass wir uns keine Sorgen machten, er war so fürsorglich. Wenn er bis spät arbeitete, dann schlief er im Arbeitszimmer, um meinen Schlaf nicht zu stören. Meine Gesundheit ist schon immer etwas angegriffen gewesen. Ich brauche meine zehn Stunden Schlaf, Frank hingegen konnte mit vier Stunden auskommen, wenn er viel zu tun hatte. Er ist einer der Menschen, die immer ein Projekt am Laufen haben müssen. Unermüdlich, immer aktiv, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Wie lange waren Sie verheiratet?« Arvidsson sah zu, wie Frau Leander den äußersten Zipfel ihres Taschentuchs nahm und ihn in einer fast theatralischen Geste zum Auge führte. Er schämte sich ein wenig über seine negative Betrachtungsweise.
»Weihnachten wären es dreißig Jahre gewesen. Wir hatten vorgehabt, nach Franks Pensionierung nach Florida zu reisen, um meine Schwester zu besuchen, Golf zu spielen und uns ein wenig zu entspannen. Frank wollte eine Woche bleiben, ich zwei. Danach wollte er nach Rumänien Weiterreisen. Eigentlich hatte ich ja gedacht, wir würden alles ein wenig ruhiger angehen lassen können, jetzt, da wir beide pensioniert sind. Das habe ich oft zu ihm gesagt.«
»Und Sie haben, soweit ich gehört habe, mit Musik gearbeitet?«
»Ich bin Opernsängerin. Nein, wahrscheinlich haben Sie nie von mir gehört. Lovisa Bjerhov. Sie sind zu jung. Frank und ich haben uns über die Musik kennengelernt. Er war ein großer Musikliebhaber.«
»Hatte Franks Tochter denn auch etwas zu erzählen?«, fragte Lena neugierig.
»Ich war bei dem Verhör mit ihr nicht dabei. Stensson wollte das selbst machen. Ich habe sie kurz gesehen, als sie vorbeiging. Sie ähnelt ihrer Mutter, etwas ätherisch und verträumt. Aber der Schein trügt. Sie ist Ärztin, wie ihr Vater. In ausländischen Internaten erzogen. Spricht mindestens fünf Sprachen fließend und ist eine erfolgreiche Fechterin. Bronze bei der Weltmeisterschaft, hat Stensson gesagt.«
»Dann ist klar, dass er sie allein verhören wollte. Bestimmt ist sie jung und hübsch«, sagte Lena und zuckte die Schultern. Arvidsson ließ diese Behauptung unkommentiert.
Sie gingen zusammen zum Konferenzraum, wo einer der Videofilme vom Brand in der Notaufnahme gezeigt wurde. Ein Kollege hatte ihn gedreht. Es war interessant, den Verlauf des Geschehens aus einer anderen Perspektive zu sehen. Die Volksmenge vor dem Krankenhaus. Eine Krankenschwester mit einer Liste in der Hand hakt die Patienten ab und lässt sich die Namen von Angehörigen sagen, die mit in der Notaufnahme waren. Eine schwer verletzte Frau wird auf einer Trage hereingefahren. Ein weißer Kittel flattert vorbei und verschwindet wieder aus dem Blick der Kamera. Ein neues Bild von der Seite. Ein Gesicht hinter dem Kaffeeautomaten. Felicia. Sie war nicht von Anfang an vor Ort gewesen, davon war er überzeugt. Wahrscheinlich war sie zu einer späteren Schicht gerufen worden.
Um 14.25 Uhr ging ein Alarm ein. Lena hörte mit verärgerter Miene zu und fluchte dann laut: »Verdammte Scheiße, jetzt müssen wir Überstunden machen!«
Die Zentrale hatte einen Anruf aus dem neu eröffneten Schmuckgeschäft in der Köpmangatan erhalten. Zwei Männer hatten dort Goldringe verkaufen wollen, und der Juwelier wollte sichergehen, dass es sich nicht um Diebesgut handelte. Nachdem man die Schmuckstücke beim Warenregister und dem Diebstahlregister eingegeben hatte, erhielt man einen Treffer, der schnell auf einen Einbruch in ein Einfamilienhaus in Fjugesta vor ungefähr vier Monaten hinwies. Nach Aussage des Ladenbesitzers befanden sich die Männer immer noch im Geschäft.
Arvidsson und Ohlsson begaben sich schleunigst in die Garage, um mit der Streife dorthin zu fahren. Lena setzte sich ans Steuer und jammerte pausenlos, weil sie am nächsten Tag einen Arzttermin mit Paula hatte: »Was soll ich bloß mit ihr
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